Nach einem ersten Test am 18. Juli und einer ersten Zündung des Haupttriebwerks am 5. September war dies die dritte Probe eines vollständigen Startcountdowns. Ziel war es, die Robustheit des Startsystems zu erhöhen und die Sicherheitsverfahren für Notfälle mit einer Unterbrechung des Countdowns aufgrund simulierter Anomalien zu testen. Im Unterschied zu den ersten beiden Tests bei Tageslicht wurde der Betrieb diesmal bei Nacht durchgeführt, um zu üben, wie die Systeme bei kühleren Umgebungstemperaturen funktionieren. «Ohne das tropische Sonnenlicht, das auf die Tanks der Ariane 6 scheint, verhält sich der Treibstoff im Inneren merklich anders und wir müssen Kondensation und Eisbildung berücksichtigen», erklärt Tony dos Santos, ESA-Manager für den Betrieb der Ariane-6-Bodensysteme in Kourou.

Heikles Treibstoffgemisch

Die Ariane 6 wird mit flüssigem Sauerstoff und Wasserstoff betrieben. Beide Flüssigkeiten sind erprobt in der Raumfahrt. Ihre Verarbeitung ist jedoch heikel. Die auf -250 °C abgekühlten Flüssigkeiten dehnen sich sofort aus, wenn sie sich erwärmen. Die Tanks der Ariane 6 fassen 180 Tonnen Treibstoff. Alleine das Ablassen des flüssigen Wasserstoffs aus den Tanks dauerte über sieben Stunden. Bei diesem Vorgang müssen die Ingenieure die Durchflussmenge ständig anpassen, die Temperaturen, den Druck in den Tanks und Leitungen sowie die unterirdischen Rohrleitungen überwachen, die sich über Hunderte von Metern erstrecken, um den Treibstoff zur Rakete zu transportieren.

Dieses Modell bleibt am Boden

Die Kernstufe der Ariane 6, die derzeit auf ihrer Startrampe steht, ist zwar identisch mit der echten Rakete, aber sie ist nicht dazu bestimmt, die Erde zu verlassen. Ihre Raketenbooster sind träge, da sie mit Festtreibstoff betrieben werden, die nicht betankt werden müssen, aber der Rest ist echt – einschliesslich der Vinci-Oberstufe. Diese würde ihre Triebwerke erst nach der Trennung von der Kernstufe im Weltraum zünden. Die Betankung der Oberstufe war in den bisherigen Tests aber ebenfalls enthalten.

Vorbereitung im Schichtbetrieb

Den Start einer Rakete oder wie in diesem Fall die Probe vorzubereiten, ist aufwendig und nimmt einige Tage in Anspruch, sagt Tony dos Santos. «Die Bodentanks, in denen wir den flüssigen Wasserstoff und den Sauerstoff lagern, müssen aufgefüllt werden, die Startrampe muss vorbereitet werden: Es handelt sich dabei um eine Operation, bei der alle Mitarbeiter im Schichtbetrieb arbeiten und die eine grosse kollektive Anstrengung darstellt, an der Teams der ESA, des CNES, der Arianegroup und von Arianespace auf beiden Seiten des Atlantiks beteiligt sind, sowohl in Les Mureaux, Frankreich, als auch in Kourou.»

Beim nächsten Mal wird’s heiss

Wie die ESA schreibt, geht es nach diesem erfolgreich durchgeführten Nasstest heiss weiter. Noch vor Ende November sollen beim sogenannten Heisstest die Haupttriebwerke der Rakete während acht Minuten gezündet werden. Das entspricht die Zeit, in der sie mit Last oder Passagieren ins All geschossen würde. «Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Ariane 6 vom Boden zu holen und freuen uns darauf, sie bald von der Startrampe steigen zu sehen», so Pier Domenico.