Es war der erste der beiden Unfälle, welche die Schweiz am selben Tag erschütterten. Am vergangenen Samstagmorgen, 4. August 2018, startet auf dem Flugplatz Kägiswil (OW) die Socata TB-10 Tobago mit der Immatrikulation HB-EZW. An Bord: Pilot Reto Aeschlimann (47), seine Ehefrau und seine beiden minderjährigen Kinder. Sie wollen gemeinsam in die Ferien fliegen. Beim Renggpass oberhalb von Hergiswil (NW) endet der Flug jäh. Die Maschine stürzt in einen Wald, fängt Feuer. Die Familie muss dabei ihr Leben lassen.

Die Bestürzung in der Aviatikszene ist gross. Wie konnte es zu diesem fatalen Ereignis kommen? Am Steuerknüppel sass kein Geringerer als der Chef- und Testpilot der Pilatus Flugzeugwerke AG in Stans. Wenn einer das Fliegen und die Flugzeuge beherrscht, dann ist er es, ist man einhellig der Meinung. Reto Aeschlimann hat Hunderte Stunden als Testpilot im Cockpit von Prototypen verbracht, Flugversuchsprogramme geflogen, Betriebsgrenzen in allen denkbaren Konfigurationen und Schwerpunktlagen erflogen, Höchst- und Mindestgeschwindigkeiten ermittelt – «bis an die Grenzen des Flugzeugs und etwas darüber hinaus», wie er in einem Interview mit dem Fachmagazin AeroRevue im Mai 2015 sagte.

Reto Aeschlimann war eine gewinnende Persönlichkeit und ein professionell agierender, überaus erfahrener und in Fliegerkreisen hoch geschätzter Pilot, der nichts dem Zufall überliess. So sagte er über seinen Beruf als Testpilot: «Ein grosser Teil unserer Lebensversicherung steht unter dem Motto «always expect the unexpected» – erwarte stets das Unerwartete.» Und im Mitteilungsblatt seines Wohnorts Ennetbürgen wurde er im Juli 2015 zitiert: «Es gibt keine Halbheiten; Flugversuche sind Disziplinsache und nur mit grösster Präzision erfolgreich – ansonsten es schnell gefährlich werden kann. Somit verlasse ich mich auch etwas auf das Glück des Tüchtigen und hoffe, dass mein Instinkt als Pilot mich nie verlassen wird.»

Am 4. August ist etwas geschehen, was er nicht erwartet hatte. Das «Glück des Tüchtigen» hat ihn bei einem privaten Flug verlassen. Die Lücke, die er hinterlässt, ist unfassbar gross.

Reto Aeschlimann begann seine aviatische Karriere 1989 mit den Kursen der Fliegerischen Vorschulung (FVS, heute SPHAIR). Während zehn Jahren flog er als Berufspilot und Fluglehrer auf F-5 Tiger und F/A-18 bei der Luftwaffe. Zuletzt war er als Milizpilot in der Fl St 19 auf F-5 E/F Tiger eingeteilt. Er war auch Fluglehrer und BAZL-Experte. Seit 2004 war Aeschlimann bei den Flugzeugwerken Pilatus in Stans als Werkpilot angestellt, seit 2005 als Chefpilot. Seine Testpilotenausbildung absolvierte er an der Empire Test Pilot School in Boscombe Down (England). In seinen Flugbüchern wies er mehr als 7300 Flugstunden und 11'500 Landungen aus, darunter über 4500 als Pilot in Command auf zivilen Flugzeugen, rund 3000 Stunden auf Militärjets, 2500 als Testpilot und 2300 als Fluginstruktor und Prüfungsexperte (Flight Examiner). Im Militär flog er zudem PC-7 und den Jet Trainer Hawk Mk66. Zuletzt war er bei Pilatus auch für das Zertifizierungsprogramm des PC-24 Super Versatile Jet verantwortlich und hat unter anderem, zusammen mit einem zweiten Testpiloten, auch den Erstflug mit dem ersten Prototyp absolviert.