Am Dienstag, 20. Oktober 2020, wurde auf dem Flugplatz von Yverdon-les-Bains ein Stück Geschichte geschrieben. Denn an diesem Datum führte der identische Nachbau von René Grandjeans Eindecker Nr. III mit seinem 60 PS starken Oerlikon-Boxermotor seine ersten grösseren Flüge auch ausserhalb des Flugplatzes durch. Am Steuer sass der schwedische Testpilot Mikael Carlson, der für seine Fähigkeiten zum Pilotieren alter Flugzeuge bekannt ist. Insbesondere führte er Flüge mit den ersten Flugzeugen vor 1914 durch, die sich mit Hilfe von Krümmungsflügeln drehten. Ausserdem besitzt er in seiner Privatsammlung zwei Blériots. Für die Flüge mit dem nachgebauten Grandjean III kam er für ein paar Tage extra aus Schweden angereist. 

Ein Langzeitprojekt: Nachbau des Grandjean III

Diese Flüge stellen den Höhepunkt eines Langzeitprojekts dar, welches vor etwa 25 Jahren von Michel Porchet, einem Schreiner aus Fiez bei Yverdon, initiiert wurde. Er schloss dieses Projekt mit bewundernswerter Beharrlichkeit erfolgreich ab. Glücklicherweise konnte er von der substantiellen Hilfe mehrerer mechanischer Werkstätten, Ingenieur- und Technikerschulen sowie von der finanziellen Unterstützung der René Grandjean Association und ihrer rund 60 Mitglieder profitieren, die sich mit Begeisterung für das Projekt einsetzten, um diesen Pionier  der nationalen Luftfahrt zu ehren. Grandjean baute bereits 1911 ein vollständig schweizerisches Flugzeug, welches sogar mit einem Schweizer Motor ausgestattet war.

Sehr stabil und angenehm zu handhaben

Nach zwei intensiven Tagen, mit insgesamt 1 Stunde und 50 Minuten effektiver Flugzeit, bezeichnete Mikael Carlson diese Maschine als  sehr stabil und viel angenehmer zu handhaben als etwa die Blériot. Ausserdem gleite er mit dem Motor im Leerlauf viel besser. Die Leerlaufdrehzahl des Motors sei ebenfalls zufriedenstellend. Einige geringfügige Anpassungen, die für einen Motor von 1910 normal sind, waren indes notwendig. 

«Eine kleine Gruppe von Mitgliedern unseres Vereins konnte bewundern, wofür sie sich seit mehreren Jahren mit Leidenschaft einsetzte und viel dazu beitrug: den Grandjean mit seinem einzigartigen "Nähmaschinengeräusch" lange Zeit über sich fliegen zu sehen», bemerkt Gilbert Guignard, Vizepräsident der Association René Grandjean. «Doch lassen wir uns nicht täuschen: Das Projekt, eine fast 110 Jahre alte Maschine wiederzubeleben und zu fliegen, ist eine ziemliche Herausforderung. Ähnliche Projekte gibt es häufig – meist bleiben sie unvollendet.»

René Grandjean
Der am 1884 geborene Waadtländer aus Bellerive (VD) baute 1905 mit 21 Jahren sein erstes Flugzeug, das aber nicht zum Fliegen kam. Fünf Jahre später gelang Ernest Failloubaz mit einer Grandjean-Eigenkonstruktion der erste Flug. Am 29. August 1911 erflog Grandjean damit sein Brevet, als Erster auf dem Flugplatz Dübendorf, zu dessen Mitbegründern er gezählt wird. Er war damit  Besitzer des Schweizer Brevets Nr. 21. Grandjean war sehr innovationsfreudig, machte Versuche mit Skis, versah sein Flugzeug mit Schwimmern und startete von Seen aus.