Marie-Antoinette «Maryse» Hilsz, am 7. März 1903 in Levallois-Perret (Hauts de Seine) geboren, zeigte als gelernte Modistin schon früh Interesse für die Fliegerei.1924 unternahm sie zusammen mit dem Piloten M. Froissart in Le Bourget bei Paris einen ersten Flug. Damals wagte sie bei einem Wettbewerb ihren ersten Fallschirmsprung. Diese Erlebnisse verstärkten ihren Wunsch, das Fliegen zu erlernen. Ihre Einkünfte als Modistin erlaubten das aber nicht sofort. Um ihren Flugunterricht zu finanzieren, trat Maryse Hilsz als Fallschirmspringerin für 500 Francs pro Sprung und Luftakrobatin auf.

Von 1925 bis 1929 absolvierte sie bei 61 Auftritten in Frankreich, Belgien und Deutschland insgesamt 112 Fallschirmsprünge, darunter 20 zu zweit. Bei ihren waghalsigen Stunts als Luftakrobatin stand sie während des Fluges auf den Flügeln der Maschine!

Notlandung in einem Tulpenfeld

Ab 1928 erhielt Maryse Hilsz endlich den Pilotenschein. Am 21. Juni 1929 absolvierte sie erfolgreich mit einem Eindecker Morane- Saulnier 35 mit 130 PS einen Flug von Le Bourget bei Paris  nach Croydon bei London und zurück in 5 Stunden 45 Minuten. Der Flughafen Le Bourget war 1919 für den kommerziellen Luftverkehr in Betrieb genommen geworden und bis zur Fertigstellung des Flughafens Orly der einzige Pariser Flughafen.

Sechs Tage später wagte Maryse am 27. Juni 1929 einen Flug von Paris nach Amsterdam und zurück. Doch ein Motorschaden zwang sie nahe des Flughafens Schiphol zu einer Notlandung in einem Tulpenfeld. Für den Schaden im Tulpenfeld musste sie 5125 Francs bezahlen, was die Aufgabe weiterer geplanter Flüge in Europa zur Folge hatte.

Spektakuläre Langstreckenflüge mit nachgebauter Moth

Stolz konnte Maryse Hilsz am 21. April 1930 ihre Lizenz Nr.1293 als Verkehrspilotin entgegennehmen. Sie kaufte einen kleinen Doppeldecker Morane-Saulnier (F-Moth) mit 100- PS-Motor, bei dem es sich um eine in Lizenz in Frankreich nachgebaute Moth von De Havilland handelte. Diese Maschine wurde unter F-AJOE zugelassen und von Maryse als «Joe I» bezeichnet. Eine der Leidenschaften von Maryse Hilsz waren spektakuläre Langstreckenflüge, die sie 1930 nach Saigon, 1932 nach Antananarivo (Madagaskar) sowie 1933 und 1934 nach Tokio führten. Ihre andere Leidenschaft waren meisterhafte Kunstflüge. Jede dieser beiden Leidenschaften hätte eigentlich für ein ganzes Leben ausgereicht.

Den Flug von Villacoublay bei Paris nach Saigon wagte Maryse Hilsz am 12. November 1930 mit ihrem Doppeldecker «Joe I». Dabei verzichtete sie auf einen Passagier, damit sie einen grösseren Benzinvorrat mitnehmen konnte. Der Flug erfolgte über Gorizia, Belgrad, Istanbul, Konya, Aleppo, Bagdad, Bouchir, Djansk, Karatschi, Agra, Kalkutta, Rangun und Bangkok. Um lästigen Benzingestank loszuwerden, musste sie sich vom 24. November bis zum 4. Dezember 1930 in Rangun aufhalten.

In Saigon kam sie am 5. Dezember 1930 an. Ein Öl-Leck während des Rückfluges erforderte eine Notlandung und eine Reise mit einem Esel, um Schmiermittel zu beschaffen. Am 22. Dezember 1930 traf Maryse in Bagdad  ein. Neue Probleme verursachte der Ausfall des Propellers am 28. Dezember 1930 in Istanbul. Erst am 10. Januar 1931 konnte Maryse diese Stadt verlassen. Am 7. Februar 1931 erreichte sie endlich den Flughafen Le Bourget bei Paris in Frankreich.

In 92 Stunden 31 Minuten Flugzeit hatte sie eine Flugstrecke von insgesamt rund 25 000 Kilometern hinter sich gebracht!

Von Paris nach Madagaskar und zurück

In Le Bourget bei Paris traten Maryse Hilsz und ihr Mechaniker Maurice Dronne am 31. Januar 1932 in einer Farman F-291 («Joe II») mit 300-PS ihren geplanten Flug zur Insel Madagaskar vor der Ostküste von Mosambik  an. Auf dem Hinflug mussten sie wegen einer geplatzten Ölleitung bei Birni N’Konni in Niger notlanden. Nachdem die Ersatzteile aus Paris eingetroffen und eingebaut waren, ging die Luftreise nach Antananarivo auf Madagaskar weiter, am 31. März 1932 erfolgte die glückliche Landung.

Beim Rückflug traten auf der Strecke von Madagaskar nach Mosambik gewisse Stabilitätsprobleme auf. Diese zwangen zu einer Notlandung auf der drei Kilometer langen und 1,6 Kilometer breiten Insel Juan de Nova im Kanal vom Mosambik zwischen Madagaskar und Mosambik. Dort mussten Maryse und der Mechaniker Dronne 17 Tage lang ausharren, bevor sie wieder starten konnten. Nach der Ankunft in Frankreich am 7. Mai 1932 – 29 Tage später als geplant – hatte Maryse Hilsz als erste Frau diese schwierige 24'000 Kilometer-Flugreise von Frankreich nach Madagaskar und zurück geschafft.

Erster Flug einer Frau von Paris nach Tokio

Mit einer Farman F-291 und dem Mechaniker Henri Le-Maître machte sich Maryse Hilsz am 1. April 1933 auf die lange Flugreise von Paris nach Tokio. Bei einem Zwischenstopp in Hanoi  vom 7. bis 13. April 1933 wurden Reparaturen an der Maschine vorgenommen. Die Ankunft in Tokio erfolgte am 16. April 1933. Zurück ging es wieder am 27. April 1933 bis zum 14. Mai 1933. Allein für die Teilstrecke von Saigon nach Paris wurden sechs Tage und 23 Stunden benötigt. Als Belohnung für diese fliegerische Leistung stellte das französische Luftfahrtministerium für den nächsten Langstreckenflug von Maryse eine neue Maschine zur Verfügung. Dabei handelte es sich um ein militärisches Aufklärungsflugzeug Bréguet Bre 27 mit 650 PS.

Ein weiteres grosses Abenteuer war der Flug von Maryse Hilsz und ihres Mechanikers erneut von Paris nach Tokio und zurück, zu dem sie am 26. Januar 1934 mit der Bréguet 33 R («Joe III») aufbrachen. Trotz schlechten Wetters stellten sie dabei einen Geschwindigkeitsrekord auf und kamen am 6. Februar 1934 in Tokio an. Der Rückflug in Etappen zog sich vom 20. März bis zum 28. April 1934 dahin. Innerhalb von fünf Tagen 38 Minuten wurde dabei die Teilstrecke von Saigon nach Paris bewältigt, damit war der Rekord von 1933 gebrochen.

Maryse bricht Höhenrekord für Frauen

Im Laufe ihres bewegten Fliegerinnenlebens hat Maryse Hilsz zahlreiche Rekorde aufgestellt. Bei Villacoublay stieg sie am 19. August 1932 in einer Morane-Saulnier 223 mit 420 PS bis zu 9 791 Meter hoch und brach damit den bis dahin gültigen Höhenrekord für Frauen. 1933 erhielt sie die Internationale Harmon Trophy als beste Fliegerin der Welt. In einer Morane-Saulnier 275 mit 600 PS gelang ihr am 17. Juni 1934 in Villacoublay mit 11'800 Metern ein neuer Höhenrekord für Frauen. Am 1. September 1935 gewann sie in einer Breguet 27 mit 770 PS auf der 688 Kilometer langen Flugstrecke von Paris nach Cannes mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 277,263 Stundenkilometern den Hélène-Boucher-Cup. Letzterer erinnerte an die tödlich verunglückte französische Pilotin Hélène Boucher (1908-1934). Diesen Cup holte sie in einer Caudron 680-5 Super Rafale mit 366,76 km/h auch am 29. August 1936.

Über Villacoublay kreiste sie am 24. September 1935 in einer Mauboussin M-122 mit 75 PS bis in 7 338 Meter Höhe und erreichte damit einen Frauenhöhenrekord für Kleinflugzeuge. Am 23. Juni 1936 stieg sie in Villacoublay mit ihrem Doppeldecker Potez 506 mit 900 PS innerhalb von 36 Minuten bis in 14 310 Meter Höhe auf. Eine solche Leistung war bis dahin noch von keiner Frau erreicht worden.

Im August 1935 errang Hilsz im ersten europäischen Luftrennen ihren ersten Preis, den Hélène-Boucher-Pokal, mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 227 km/h. Im Folgejahr gewann sie mit einer erneuten Rekordzeit. Im August 1936 stellte Hilsz zudem mit einem Doppeldecker des Typs Potez 50 nahe Villacoublay mit einer Flughöhe von etwa 14'300 Metern einen Höhenrekord auf, der bis dato nur von Renato Donati (14'400 Meter) übertroffen wurde. Donati befand sich nach der erfolgreichen Landung unter den ersten Gratulanten. Wenige Monate später verlor sie bei dem Versuch, den Geschwindigkeitsrekord der Frauen zu brechen, die Kontrolle und musste mit dem Fallschirm abspringen.

Sous-Lieutenant im Frauen-Flugkorps – und das Ende

1941 trat  Maryse Hilsz der Résistance bei und nahm bei Aktionen in der Türkei teil. Als im Jahr 1945 unter dem französischen Luftverkehrsminister Charles Tillon der provisorischen Regierung ein Frauen-Flugkorps gegründet werden sollte, befand sich Maryse Hilsz unter den Kandidatinnen und wurde zum Sous-Lieutenant ernannt.

Bei einem Routine-Flug im Januar 1946 geriet die mit vier Personen besetzte Maschine – Maryse war Passagierin – in schlechtes Wetter und stürzte im Département Ain ab. Die Passagiere überlebten den Absturz nicht. Die berühmte, erst 43-jährige Fliegerin wurde in ihrer Geburtsstadt Levallois-Perret begraben, im gleichen Friedhof wo sich die letzte Ruhestätte des Komponisten Maurice Ravel befindet.