Forschungsballone und Flugzeuge erreichen je nach Ausprägung die obere Grenze der Stratosphäre bei zirka 50 km. So gelangten am 27. Mai 1931 der Schweizer Entdecker und Wissenschaftler Auguste Piccard und sein Assistent Paul Kipfer mit dem Ballon «FNRS-1» als erste Menschen zur Stratosphäre. Der nächste Höhenschub kam mit der Entwicklung der Rakete V-2 und zahlreichen Testschüssen der Siegermächte mit erbeuteten Raketen Ende der 1940er-Jahre. So wurden in den USA bis 1952 noch rund 75 Stück V-2 als Höhenforschungsraketen bis in zirka 180 km Höhe geschossen. Hier war es der Schweizer Astrophysiker Fritz Zwicky, der die zündende Idee hatte, aus der Spitze einer V-2 bei rund 80 km Höhe den Metallstachel einer explodierenden Hohlladung in den Weltraum zu schleudern. Dieser Versuch am 17. Dezember 1946 scheint misslungen zu sein, doch Zwicky wiederholte den Versuch 1957 mit einer Aerobee-Forschungs-rakete. Dieser Versuch glückte und erzeugte das erste menschengemachte Objekt, welches das Schwerefeld der Erde verliess.

Neben diesen Versuchen wurden in den 1950er-Jahren auch Höhenforschungsraketen mit Feststofftriebwerken entwickelt oder Raketen aus militärischen Beständen umgebaut. Diese waren oft klein mit wenig Nutzlast, aber günstig und einfach in der Handhabung. Zwischen 1958 und 1967 wurden allein in Europa mehr als 500 solcher Raketen zur Forschung eingesetzt. Zwischen der oberen Grenze von Ballonen und der unteren Grenze der Satelliten (rund 200 km) waren es vornehmlich Höhenforschungsraketen, welche direkte Messungen ermöglichten. Versuche, mit Kanonen Sonden in diese Höhe zu bringen, wurden auch durchgeführt. Dies gelang beim High Altitude Research Project (HARP); trotzdem war diese Lösung am Ende wenig praktikabel.

Contraves baut zivile Raumfahrt­kompetenz aus

In diesem Umfeld begann die Contraves AG in Seebach (ZH) aus der Flugabwehrlenk­waffe KRIENS («Cockpit» 8/2022) den Feststoff­motor und ihre Erfahrungen in der Fertigung von Composite-Strukturen als Grundlage der Zenit-Höhenforschungsrakete zu nutzen. Diese Arbeiten erlaubten der Contraves AG den Ausbau einer zivilen Raumfahrtkompetenz, welche nach den Wirrungen der 1990er-Jahren via RUAG Space heute noch als Beyond Gravity Schweiz AG aktiv ist. Besonders die Kinotheodolite zur Flugbahnverfolgung, diverse Satellitenstrukturen (zum Beispiel ESRO-1) und die Nutzlastverkleidungen für grosse Raketen sind neben der Höhenforschungsrakete Zenit erwähnenswert.

Aufbauend auf den Fähigkeiten der Contraves AG entstand eine äussert elegante und durchdachte Höhenforschungs­rakete mit modularer Nutzlastintegration und Bodenstation. Die Zenit-Rakete war, je nach Länge der Nutzlastverkleidung, 5 bis 5,6 m lang (Nutzlastvolumen 110 dm3), hatte einen Durchmesser von 42 cm und wog ohne Nutzlast 610 kg. Das Feststoff-Triebwerk (580 kg) bestand aus zwei konzentrischen, als Radial­brenner vergossenen Pulverphasen mit verschiedenem Schubniveau. Die Startphase, mit einer Brenndauer von 11,6 Sekunden, 5 Tonnen Schub und einem Impuls von 55 Tsec, verbrannte 250 kg Pulver, die Marschphase von 16,8 Sekunden Dauer gab einen Schub von 3 Tonnen bei 45 Tsec Impuls und 190 kg Pulver. Dieses Dualtriebwerk erlaubte es, die Motorleistung den auftretenden Widerstandskräften anzupassen. Drei Flügel in Composite-Bauweise mit Stahlkanten sorgten für einen stabilen Flug, auch ohne Drall der Rakete. Dennoch war das Rollverhalten der Rakete für eine mögliche Sensorabtastung zwischen 0 bis 10 U/s frei wählbar. 

Ernüchterung und Ende der ersten Phase bei Bührle

Im Oktober 1968 erfolgten die zwei ersten Abschüsse der Zenit auf dem Schiessplatz «Salto di Quirra» auf Sardinien. Die fehlenden Erfolge der Fliegerabwehrwaffe KRIENS, welche langfristig die Fertigung der Triebwerke auch für die Zenit in der Schweiz hätte mittragen sollen, lösten bei der Contraves trotz den zwei erfolgreichen Starts Ernüchterung aus. Die schon erfolgten hohen Investitionen in Anlagen in Seebach (Vakuumtechnik, Zentrifugen, Rechneranlagen) bildeten den Grundstein für eine ansehnliche Raumfahrt-orientierte Produktepalette, doch fehlte zunehmend die Kraft, auch eine Palette an Raketen zu unterhalten. Auch die Zusammenarbeit mit der Dornier System GmbH konnte den Rückzug aus der Entwicklung eigener Raketen und Lenkwaffen nicht aufhalten. Der nächste Zenit-Einsatz 1970, diesmal mit dem Cuckoo Booster, endete mit dem Zerschellen der Rakete nach 26 Sekunden. Schuld war ein Defekt an der Isolation des Austrittskonus des Zenit-Triebwerks. Der letze Einsatz der Zenit fand am 1972 auf dem Schiessplatz Andoya in Norwegen statt und war erfolgreich. Damit endete die erste Phase der nicht staatlichen Raketen- und Lenkwaffenentwicklung der Bührle Gruppe leider nur mit Achtungserfolgen.

Dies ist ein Auszug aus dem Artikel «Forschung am Zenit» von Dr. Moritz Vischer. Der ganze Beitrag ist in der kommenden gedruckten Ausgabe 7/2023 von «Cockpit» nachzulesen (erscheint ab dem 14. Juli). Verpassen Sie keine Ausgabe und bestellen Sie noch heute ein Abo. Einzelne Ausgaben können unter diesem Link bestellt werden.