Bei den Flügen des ISTAR (In-Flight Systems and Technologies Airborne Research) stehen die flugmechanischen und flugdynamischen Eigenschaften der umgebauten Dassault Falcon 2000LX im Mittelpunkt. Neuartige Sensoren messen, wie sich das Flugzeug bei speziellen Flugmanövern verhält. Mit den Ergebnissen entwickelt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) den Digitalen Zwilling des ISTAR weiter und trägt dazu bei, Flugzeuge energieeffizienter auszulegen. Der Digitale Zwilling wird das exakte virtuelle Abbild des Luftfahrzeugs im Rechner.

Digitaler Zwilling

Die Flugmanöver und Bodenversuche bringen Daten aus neuartigen Messtechniken mit modernsten Simulationswerkzeugen zusammen. «Mit dem Digitalen Zwilling sollen später virtuelle Flugversuche möglich sein», erklärt Projektleiter Dr. Heiko von Geyr vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik in Braunschweig. Der ISTAR soll dabei nicht nur realitätsgetreu in einem Flugsimulator erprobt werden können. Ziel des Projekts HighFly (High Speed Inflight Validation) ist es, mehrere Prozesse zu kombinieren: «Das ermöglicht uns, die Strukturdeformation, die Strömung und die Beschleunigungen an jedem Punkt des ISTAR zu jedem Zeitpunkt vorherzusagen», erklärt Heiko von Geyr. Bis die Forschenden das Flugzeugverhalten realitätsgetreu im Rechner abbilden können, müssen sie die Rechenmodelle mit Messergebnissen abgleichen und weiterentwickeln. «Erst dann können wir sagen, dass sich ein Luftfahrzeug am Rechner genauso verhält wie in der Realität.»

Seit Ende Februar in der Luft

Der ISTAR hebt seit Ende Februar 2023 vom Flughafen am DLR-Standort Braunschweig zu Messflügen ab. Das Flugzeug wurde in der Vergangenheit für wissenschaftliche Zwecke umgebaut und für das Projekt vorbereitet. Fast 400 Manöver wurden bis jetzt bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten, Höhen und Dynamiken in einem reservierten Luftraum in Mecklenburg-Vorpommern geflogen. Mit einem Digitalen Zwilling können die Forschenden in Zukunft neue Flugzeugentwürfe schon zu einem relativ frühen Zeitpunkt im Rechner testen und beurteilen, ob sich Veränderungen auf die Flugzeugeigenschaften und das Flugverhalten auswirken. Neben den virtuellen Flugversuchen haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler langfristig auch die simulationsbasierte Zulassung im Blick. Diese könnte zeit- und kostenintensive Zulassungsverfahren in der Luftfahrt beschleunigen.

Projekt HighFly untersucht Veränderungen bei Flugmanövern

Um messen zu können, wie sich die Strömung an den Tragflächen bei verschiedenen Flugmanövern verändert und wie stark sich die Tragflächen im Flug verformen, haben die Forschenden die linke Tragfläche mit einer gepunkteten Folie beklebt. Aus der Nähe haben die Punkte teils eine runde, teils eine langgezogene Form. Für Kameras, die vom Innern des Flugzeugrumpfs in einem bestimmten Winkel auf die Tragfläche gerichtet sind, erscheinen alle Punkte gleich. Wenn sich die Tragflächen während des Fluges biegen, erfassen die Kameras die Lageänderung der Punkte. So wird die lokale Verformung des Tragflügels bestimmt.

Sensoren-System ist eine Neuentwicklung

Auf und unter dem rechten Tragflügel sind Sensoren verteilt. Diese MEMS-Sensoren (Micro Electro Mechanical System) messen die Druck- und Temperaturverteilung mit hoher Genauigkeit und hoher Frequenz während der Flugversuche. «Das MEMS-System ist eine vollständige Neuentwicklung im Rahmen des Projektes und wird hier erstmals im transsonischen Geschwindigkeitsbereich unter realen Flugbedingungen eingesetzt», sagt Heiko von Geyr. Im transsonischen Bereich fliegt das Flugzeug zwar langsamer als Schallgeschwindigkeit, die Luftströmung um das Tragflächenprofil erreicht aber trotzdem stellenweise Überschallgeschwindigkeit. Dadurch kommt es zu einer sehr komplexen Strömung mit Verdichtungsstössen, was durch die MEMS-Sensoren zuverlässig erfasst werden muss.

Zusätzlich sind drei MEMS-Sensorflächen in der Nähe des Cockpits installiert. Sie messen Druckschwankungen in den dünnen Grenzschichten, die hier durch die Flugzeugform entstehen. Das DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik in Göttingen hat die MEMS-Sensorflächen entwickelt.

Wertvolle Datenbasis

Die Testpiloten fliegen mit dem ISTAR exakt festgelegte Manöver in 11’000, 25’000, 35’000 und 45’000 Fuss Höhe. Das entspricht etwa 3’350, 7’620, 10’670 und 13’720 Meter Höhe. Rechner in der Kabine speichern alle Messwerte. Die Forschenden vergleichen den Datenschatz später mit Ergebnissen der numerischen Simulation. Supercomputer, wie die CARO- und CARA-Cluster des DLR sind hierfür unerlässlich. «Wir decken mit unseren Messungen den gesamten transsonischen Flugbereich bis an die Grenzen des Fliegbaren ab. Die Kombination der Messtechniken macht diese Datenbasis einmalig und äusserst wertvoll», erläutert Heiko von Geyr.