Hélène Bouchers Freunde nannten sie Léno. Wo sie auftauchte, herrschte Fröhlichkeit und Lachen. Als sie am 13. Februar 1933 zu ihrem Fernflug Paris-Saigon startete, verabschiedete sie sich ebenfalls mit einem Lachen. Zuschauer, ihre Freunde und die Journalisten mochten die jüngste Fliegerin Frankreichs. Sie kam bis Bagdad, dann musste sie wegen eines schweren Maschinenschadens aufgeben. Auch dann lächelte Hélène und sagte: «Das kann passieren» und meinte, sie sei noch jung genug, um es erneut zu versuchen!

Kunstflugmeister Détroyat nannte sie «Künstlerin der Luft»

Sie ging zunächst zu Michel Détroyat, dem berühmten französischen Kunstflugmeister, um bei ihm Kunstflug zu lernen. Michel trainierte sie und machte sie zu einer «Künstlerin der Luft». Dieser Hauptmann der französischen Luftwaffe brachte ihr alles bei, was eine Kunstfliegerin wissen und können musste.

Als sie im Sommer 1933 zum ersten Mal mit ihrem Morane Hochdecker auf der der französischen Kunstflugmeisterschaft startete, wurde sie auf Anhieb Meisterin.

Begegnung mit Liesel Bach

Ein Jahr später, anlässlich der Europameisterschaften im Kunstflug, traf Hélène auf die junge deutsche Kunstflugmeisterin Liesel Bach (Cockpit wird über dieser Flugpionierin später einen Bericht veröffentlichen). Am 23. April 1934 stieg das grosse Meeting auf dem Flugfeld von Paris-Vincennes. Unzählige Zuschauer säumten den Platz, die atemlos ihrem Idol beim Pflichtprogramm zusahen, das Hélène mit Bravour meisterte.

Liesel Bach, die noch beim Training das Trudeln nicht geschafft hatte, packte es diesmal und absolvierte die vorgeschriebenen zwei Umdrehungen. Am Nachmittag erfolgte die Kür, die aus einem fünfzehnminütigen Flug bestand. Wieder startete Hélène als erste, sie flog sauber und gekonnt, doch ohne hohe Schwierigkeitsgrade. Dann kam Liesel Bach, von ihren Freunden «Bachstelzchen» genannt, an die Reihe. Sie wusste, dass sie nur Europameisterin werden konnte, wenn sie aufs Ganze ging. So eingestellt, flog die Pilotin los, sie spuhlte ihre Figuren herunter, als könnte nichts schiefgehen. Es wurde der Traumflug ihres Lebens.

Als sie nach 15 Minuten landete, da hatten die Zuschauer vergessen, dass sie ihre Hélène als Siegerin sehen wollten. Um 18 Uhr wurde das Ergebnis bekanntgegeben: Liesel Bach wurde Europameisterin. Hélène Boucher, deren grosser Traum zerronnen war, eilte auf ihre Rivalin  zu und umarmte sie, so wurden die beiden Freundinnen. Die Französin liess sich aber nicht entmutigen, sie wollte Rekorde schlagen.

Schnellste Frau der Welt

Am 18. August 1934 kletterte Hélène in eine Caudron 13 und startete zu einem Flug, der ihr den Schnelligkeits-Weltrekord brachte. Sie durchflog die 1000 Kilometer Distanz mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 409,2 km/h. Eine Woche vorher hatte sie den Frauenweltrekord auf der 3-Kilometer-Strecke von 428,223 km/h erzielt. Nur einen Tag danach 1000 km Rekord, erzielte sie eine Stundenleistung von 444,845 km/h – damit war sie die schnellste Frau der Welt.

Hélène Boucher als Medienstar

Jung, attraktiv und furchtlos, wurde Hélène Boucher in Frankreich zum Medienstar. Renault engagierte sie als Werbeträgerin für ein neues Automodell, der Frauenbewegung galt sie als Symbolfigur. Im Oktober 1934 nahm sie in Bordeaux zusammen mit den Kolleginnen Adrienne Bolland und Maryse Bastié an einer öffentlichen Kampagne für das Frauenwahlrecht teil – ein feministisches Engagement, das von den Flugzeugproduzenten, auf deren Unterstützung die Fliegerinnen angewiesen waren, nicht gern gesehen wurde.

Da den Frauen, im Gegensatz zu männlichen Kollegen, weder die militärische noch die kommerzielle Fliegerei offenstanden, versuchten sie, bei immer gewagteren Wettbewerben, oft auf fast schon ausrangierten Maschinen, das nötige Geld für ihre teure Leidenschaft zu verdienen.

Der Tod fliegt mit

Nur wenige konnten, wie Hélène Boucher, ihr Hobby zum Beruf machen. Im Sommer 1934 sah man sie fast täglich auf dem Flugplatz Guyancourt, sie flog immer besser und schneller. Neue Rekorde bahnten sich an. So fuhr sie auch am 30. November wieder hinaus auf dem Flugplatz. Die Flugzeugbauer René Caudron und Louis Renault hatten sie als Testfliegerin eingestellt. Sie kletterte in die Schulmaschine des Typs Caudron Rafale zu einem Erprobungsflug. Die Zuschauer verfolgten den Start, sie sahen, wie Hélène die Rafale emporzog und bereits über die Baumwipfeln des Platzwäldchens flog, als die Maschine plötzlich an Höhe verlor, sich drehte und in halber Rückenlage geriet. Hélène versuchte noch, durch das Ausfahren der zweiten Landeklappe die Rafale wieder in Trimm zu bekommen, sie aufzurichten und so über die Baumwipfel hinweg zu kommen. Doch dazu war es bereits zu spät, die Maschine zerschellte im Wald und die wagemutige Pilotin verlor ihr Leben.

Frankreich trauerte, man ehrte die tollkühne Fliegerin – als erste Frau überhaupt wurde sie zwei Tage lang im Pariser Invalidendom öffentlich aufgebahrt. Bis heute tragen französische Schulen, Strassen, Jugendzentren und Pfadfinderinnengruppen ihren Name.