Im Falle des ersten deutschen Verkehrsjets, der nicht einmal den Namen seines Konstrukteurs Brunolf Baade trug, sondern nur einfach 152, ranken mehr zahlreiche Mythen als belegbare Fakten. Fälschlicherweise wird in Berichten auch gerne der Name Baade vor die 152 gesetzt, was historisch aber nicht belegbar ist.

Baade – Luftfahrzeugbau im Osten

Brunolf Baade war einer jener Chefkonstrukteure, die bis Kriegsende bei Hugo Junkers in Dessau arbeiteten und 1946 in einer Nacht und Nebelaktion sozusagen als menschliche Reparation neben 3000 anderen deutschen Experten in die Sowjetunion deportiert wurde. Dort wurde er gezwungen, sich ganz speziell um die militärische Luftfahrtindustrie kümmern. Für eines dieser Projekte, einen zweistrahligen Bomber des Typs 150 war er verantwortlich.

Ein Unfall stoppte 1952 jedoch das ganze Projekt. Nach einer durch Stalin festgelegten Zeit von fünf Jahren durfte die deutschen Ingenieure bei freier Wahl zurück nach Westdeutschland oder in die DDR gehen, wobei die letzten ersten 1955 zurückkamen. Baade entschied sich für den Osten und baute nach Plänen der früheren DDR-Führung einen Sektor Luftfahrzeugbau unter seiner Leitung mit auf.

Triebwerk-Entwicklung in Dresden

Ursprünglich sollte im Dessauer Werk die MiG-15 in Lizenz gebaut werden, doch Moskau entschied in letzter Minute, von diesem Plan abzulassen. Es waren der flugbegeisterte Generalsekretär der Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) Walter Ulbricht, der sowjetische General Likin und Baade selbst, die die Idee für einen zivilen Flugzeugbau der DDR entwickelten und sogleich weiter im Süden den neuen Standort Dresden-Klotzsche in den Jahren 1954/1955 aufzubauen versuchten. Gegen harte Devisen aus dem Westen, aus England und auch aus der Schweiz, wurde die gesamte Ausrüstung, insbesondere für einen Windkanal, Labors, Prüfständen und Fertigungseinrichtungen importiert. Neben Produktionshallen und einem Entwicklungszentrum entstand ein ganzes Luftfahrtzentrum.

In Pirna, nahe bei Dresden, wurden sogar eigene Triebwerke entwickelt. Ein ehrgeiziges und total überzogenes Vorhaben für die damals wirtschaftlich geschwächte DDR, doch es sollte ein Mustervorhaben werden. Baade musste seinerzeit total in der Gunst des Generals und der DDR-Führung gelegen haben. Er schien die Herren mit seinen alten Plänen zu ködern, die 1953 noch in der Sowjetunion als zivile 15.2 Version in direkter Ableitung vom Bomber 150 entstand. Dies mit vielen Merkmalen, wie das signifikante Tandemhauptfahrwerk mit Stützrädern, einem für den Navigator verglasten Bug und Zwillingsgondeln mit je zwei Triebwerken unter den gepfeilten Flügeln.

Initialzündung für die «152»...

Parallel erfolgte in den neu aufgebauten Volkseigenen Betrieben (VEB) Maschinen- und Apparatebau Dresden sowie der VEB Industriewerke Dresden der Lizenzbau des zweimotorigen Mittelstrecken-Verkehrsflugzeug IL-14P, deren Produktion nach 80 gebauten Maschinen abgebrochen wurde. 1958 wurden die beiden Firmen in VEB Flugzeugwerke Dresden umbenannt. Die Entwicklung der 152, die jegliche Unterstützung trotz Materialknappheit erhielt, begann unmittelbar mit den Plänen um den Aufbau einer ostdeutschen Luftfahrtindustrie, die auch die Entwicklung und den Bau von Segelflugzeugen vorsah. Das Amt für Technik sah sogar die Produktion von 90 Flugzeugen vor, die ab 1957 geliefert werden sollten. Dem war jedoch nicht so und erst am 4. Dezember 1958 kam es zu einem halbstündigen Erstflug.

...und ihr Ende

Im Frühjahr 1959, anlässlich der Eröffnung der Leipziger Messe sollte die neueste DDR-Errungenschaft vor Staatsgästen vorgeflogen werden. Eingebaut waren noch die sowjetischen Einwellenturbinen Tumanski RD-9B, die in grossen Stückzahlen in sowjetischen Jägern Verwendung fanden.

Es kam zum Absturz, bei der alle Besatzungsmitglieder ums Leben kamen. Weitere Prototypen wurden teils mit Verbesserungen gefertigt, doch auch die 100 von der Sowjetunion in Aussicht gestellten Bestellungen erwiesen sich als Luftnummer, sodass man sich 1960 endgültig entschied, das Projekt 152 gänzlich einzustellen. Trotz Devisenmangels warb man noch im selben Jahr in der in Genf erscheinenden Interavia mit ganzseitigen Anzeigen. Doch der Traum eines deutschen Verkehrsflugzeuges war bereits ausgeträumt.