Die astrophysische Euclid-Mission der ESA soll die dunkle Seite des Universums ans Licht bringen. Die Art und Weise, wie sich Galaxien drehen und umeinander herum kreisen, und wie sich das Universum ausdehnt, lassen Astronomen vermuten, dass zwei unsichtbare Einheiten die Zusammensetzung unseres Kosmos beherrschen. Sie bezeichnen sie als dunkle Materie und dunkle Energie. Spannend daran ist, dass bislang weder das eine noch das andere direkt nachgewiesen werden konnte. Dies will das 2012 ins Leben gerufene Konsortium mit der Euclid-Mission ändern.

3D-Karte des Universums

Die Euclid-Mission der ESA wird eine 4D-Karte des Universums erstellen, wobei die die Zeit als vierte Dimension betrachtet wird. Durch die Beobachtung von Milliarden von Galaxien in einer Entfernung von 10 Milliarden Lichtjahren können die Wissenschaftler die Position und die Geschwindigkeit von Galaxien über riesige Entfernungen und den grössten Teil der kosmischen Geschichte hinweg aufzeichnen und die Ausdehnung des Universums während dieser Zeit verfolgen. Die aussergewöhnliche Optik von Euclid wird auch subtile Verzerrungen im Erscheinungsbild der Galaxien aufdecken. 

Missionsdauer von 6 Jahren

Die Lebensdauer des Euclid-Satelliten beträgt rund sieben Jahre, die Mission ist für sechs Jahre ausgelegt. Der am 1. Juli  vorgesehene Start mit einer Falcon 9-Rakete von Space-X erfolgt ab dem Weltraumbahnhof in Cape Canaveral. Ursprünglich war der Start mit einer Sojus ST-2.1b-Rakete ab dem Weltraumbahnhof Kourou vorgesehen gewesen.  Die Umstellung auf die Falcon 9 habe keine Anpassungen am Satelliten nötig gemacht. Das vergangene Jahr sei dennoch intensiv gewesen, um sicherzustellen, dass das Raumfahrzeug mit dem Teleskop kompatibel ist, sagt Andreas Rudolph, Flight Operations Director ESA.  Ein heikler Moment der Reise ist, wenn die Nutzlastverkleidung von Euclid abgesprengt wird. Damit dann kein Sonnenlicht ins Teleskop fällt, muss die Rakete die Flugbahn wie präzise einhalten.  Da SpaceX bislang kaum über Erfahrungen mit solchen Missionen verfügt, habe intensiv mit dem Raumfahrtdienstleister zusammengearbeitet werden müssen, sagt Rudoph.

30 Tage bis zum Ziel

Die Rakete wird die Nutzlast über den Atlantik am südlichen Afrika vorbei. Über dem indischen Ozean trennt sich Euclid von der Oberstufe der Rakete. Danach übernimmt die ESA die Kontrolle des Satelliten. Die Rakete ist rund 30 Tage unterwegs bis zu ihrem Ziel, dem L2-Lagrange-Punkt. In dieser Zeit werden nach und nach die verschiedenen Systeme eingeschaltet und geprüft. Der Lagrange Punkt 2 gilt als idealer Beobachtungspunkt, da die Sonne, Mond und Erde stets im Rücken liegen und die Instrumente im Schatten sind. So dient das Solarpaneel von Euclid gleichzeitig als Sonnenschutz. Der Langrange-Punkt bietet einen weiteren Vorteil. Wegen des gravitativen Gleichgewichtszustands verbrauchen Raumsonden dort wenig Energie.

VIS für hochauflösende Bilder

Das VIS-Instrument ist eines von zwei Instrumenten des Teleskops Euclid. Es handelt sich um einen grossformatigen Bildwandler mit 609 Millionen Pixeln, der ein Sichtfeld von 0,57 Grad (fast das Dreifache des Raumwinkels des Vollmondes) mit einer Abtastung von 0,1 Bogensekunden abdeckt. Das gesamte Bild wird zur Erde übertragen, was diese Bilder zu den bisher grössten Bildern eines astronomischen Satelliten macht.  

NISP liefert Spektralinformationen

Das zweite Instrument ist ein Nahinfrarot-Spektrometer und -Photometer NISP. Damit werden zwei verschiedene Arten von Daten erhoben. Mit einem einzigen optischen System deckt NISP das gleiche Sichtfeld ab wie VIS, jedoch im nahen Infrarot (NIR) zwischen ~950 und 2020 nm. Das Hauptziel von NISP ist nicht die Erstellung hochauflösender Bilder – diese liefert das VIS – sondern die Erfassung von Spektralinformationen. Die beiden Modi von NISP erzeugen einerseits Bilder durch Breitbandfilter für die Berechnung der so genannten «photometrischen Rotverschiebungen», also der groben Entfernungen, von mehr als einer Milliarde Galaxien. Der andere, «spektroskopische Kanal», erstellt NIR-Spektren mit einer spektralen Auflösung von >400, die eine sehr präzise Entfernungsmessung für eine Untergruppe von ~50 Millionen Galaxien ermöglichen.

Herausforderung Datenmenge

Neben raumfahrtspezifischen Herausforderungen wird die grösste Challenge sein, die riesigen Datenmengen an die Empfänger zu senden. Rund 100 GB pro Tag, was etwa 30 bis 40 Netflix-Filmen pro Tag entspricht, werden zur Erde gesandt und dann an die einzelnen Wissenschaftler weitergeleitet, die damit arbeiten. Das breite Publikum kann mit ersten Erkenntnissen aus der Mission nach rund einem Jahr rechnen. 

Vier Schweizer Institute beteiligt
Astrophysiker der Universität Genf haben ein Schlüsselprodukt mit speziellen Algorithmen zur Messung der Entfernung von Milliarden von Galaxien entwickelt sowie eine Anleitung für die wissenschaftlichen Ziele und entwickelten Methoden zur Beobachtung erstellt. Die UniGE ist für den mechanischen Shutter des optischen VIS-Imagers verantwortlich, welcher extreme Anforderungen an Zuverlässigkeit und Präzision erfüllt.

Datenwissenschaftler der Fachhochschule Nordwestschweiz haben Schlüsselkomponenten für die Verarbeitung von Euclid-Daten in Rechenzentren rund um den Globus implementiert und verwalten den äusserst komplexen Workflow der Euclid-Datenverarbeitungspipeline. Darüber hinaus hat das Team auch Modelle für Deep Learning  entwickelt, die darauf abzielen, verschiedene Arten von Galaxien aus der riesigen Menge der von Euclid beobachteten Bilddaten automatisch zu identifizieren.
 

Wissenschaftler der École polytechniquefédérale de Lausanne (EPFL) beschäftigen sich mit dem Phänomen der starken Gravitationslinseneffekte. Dies geschieht, wenn eine massereiche Galaxie (Linse bezeichnet), Lichtstrahlen einer Galaxiengruppe oder eines Galaxienhaufens von einer anderen Lichtquelle im Hintergrund ablenkt. Solche Linsen können als natürliches (Gravitations-)Teleskop verwendet werden, das entfernte Objekte auf natürliche Weise vergrössert. Solche «starke Linsen» sind jedoch selten. Unter den Milliarden von Galaxien, die mit Euclid sichtbar sein werden, erwarten die Wissenschaftler nur 100’000 solche Objekte. Die EPFL ist damit betraut, diese mit Techniken der künstlichen Intelligenz zu finden.


Forscher der Universität Zürich haben fortschrittliche Computersimulationen erstellt und getestet, welche die Verteilung der Galaxien im Weltraum nachbilden. Kosmologen untersuchen, wie die Beobachtungen von Euclid genutzt werden können, um die Eigenschaften der dunklen Materie in unserem Universum zu erforschen. Sie untersuchen die Auswirkungen der «Relativisticeffects» auf die Beobachtungen von Euclid. Diese Effekte treten auf, weil das Licht von Galaxien durch ein Universum reisen muss, in dem die Materie nicht gleichmässig verteilt ist, um das Teleskop zu erreichen.