Gleich zwei Zeppeline starten gestern nacheinander vom süddeutschen Airport Friedrichshafen zur Eröffnung der neuen Saison, die coronabedingt zwei Monate später beginnt als in normalen Jahren. Wie aber fühlt sich so eine Reise im Zeppelin NT (das NT steht für Neue Technologie), wohl an?
Ein aussergewöhnliches Flugerlebnis
Fliegen hat viel mit Sehnsucht zu tun, mit Romantik und Nostalgie. Im Luftschiff zu fliegen ist weder schnell noch kostengünstig. Aber diese Form des Lufttransports versetzt den Passagier sofort auf eine Zeitreise in eine Ära, als Fliegen noch Abenteuer und aussergewöhnliches Privileg war. Deshalb leuchten die Augen der acht Passagiere erwartungsvoll an diesem Mai-Nachmittag beim Einchecken am Airport Friedrichshafen. Dann geht es zügig an den wartenden Riesen.
Das Bording auf einer Wiese innerhalb des Flughafengeländes geschieht immer paarweise. Denn um die fragile Balance des Luftschiffs nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen, dürfen auf je zwei aussteigende Gäste immer nur je zwei Passagiere in die Kabine klettern. Nun heisst es anschnallen und trotz Maskenpflicht erst einmal durchatmen. Anders als in den eng bestuhlten Kabinen von Passagierflugzeugen finden sich hier an Bord opulente Raum- und Sichtverhältnisse. Coronabedingt muss zwar jeder Fluggast einen Test vorweisen, dieser kann allerdings auch noch direkt am Flughafen vor dem Einchecken absolviert werden.
Entschleunigtes Reisen
Die Flugbegleiterin gibt kurz noch ein paar Erläuterungen, dann geht es schon los. Nun folgt das Ungewöhnliche bei diesem Start: Es drückt die Passagiere weder in den Sitz wie im Airliner noch wackelt es wie im Hubschrauber. Gemächlich brummend steigt das Luftschiff in den Himmel. Schon nach kurzer Zeit hat der Zeppelin seine Reiseflughöhe von 1000 Fuss über Grund erreicht. Nun gibt die Flugbegleiterin das Zeichen, die Passagiere dürfen jetzt auch aufstehen und können sich in der Kabine frei bewegen. Alle Gäste an Bord betrachten fasziniert den Bodensee und die an seinem Ufer liegenden Ortschaften und Städte oder den in Formation daneben fliegenden zweiten Zeppelin.
Wie wird man Zeppelin-Pilot?
Ein Pilot fliegt den Zeppelin «single hand». Wie aber wird man Zeppelinpilot? Neben fliegerischem Können gehört auch ein bisschen Glück dazu, einen Zeppelin NT steuern zu dürfen. Denn diese Gruppe ist sehr klein: So gibt es deutlich mehr Astronauten als Zeppelinpiloten. Und man muss selbst als erfahrener Berufspilot auf Flugzeugen oder Helikoptern ziemlich umlernen, um einen Zeppelin zu steuern. Schliesslich ist er länger als ein Airbus 340 und bietet dem Wind entsprechend viel Angriffsfläche.
Die Zeppelin-Reederei in Friedrichshafen bildet ihre Luftschiff-Führer deshalb von Beginn an selbst aus. Bewerber müssen bereits eine CPL mitbringen, entweder für Flugzeuge oder noch besser für Hubschrauber. Vier Männer und eine Frau steuern im Wechsel seit 28. Mai die beiden in Friedrichshafen stationierten Zeppeline NT. Im Rahmen einer bundesweiten Tournee wird eines der Luftschiffe auch für jeweils einige Tage von München, Frankfurt, Köln, Düsseldorf oder Mönchengladbach aus fliegen. Rings um den Bodensee wird das fliegende Wahrzeichen der Region von schweizerischen, deutschen und österreichischen Einheimischen wie Touristen ohnehin bereits sehnlich am Himmel erwartet.