13.13 Uhr Ortszeit Houston in Mission Control am 11. April 1970: Eine 111 Meter hohe Saturn V steigt mit einem Startgewicht von 2949 Tonnen in den Himmel über Cape Canaveral. An der Spitze befindet sich Apollo 13, in dessen Kommandomodul «Odyssey» sich die drei Astronauten Lovell, Haise und Swigert befinden. Ziel der dritten Mondlandung sollte das Hochland von Fra Mauro sein. Nachdem beim Start die zweite Stufe eines der 5 J-2-Triebwerke zwei Minuten zu früh abschaltete, glaubten die drei Astronauten, den heikelsten Moment der Mission bereits hinter sich gelassen zu haben. Am 13. April wurden sie allerdings eines Besseren belehrt: 330 000 Kilometer von der Erde entfernt explodierte einer der beiden Sauerstofftanks des Servicemoduls, nachdem es in diesem Tank zu einem Kurzschluss gekommen war. Die Explosion führte zu einer Kettenreaktion mit gravierenden Folgen.
Wertvolle Erkenntnisse aus einer Katastrophe
48 Jahre später erinnerte sich Fred Haise in Luzern an diesen Moment: «I was sick to my stomach with disappointment.» Als Haise rund fünf Minuten nach der Explosion erkannte, dass die Brennstoffzellen 1 und 3 faktisch tot waren, wurde ihm das Ausmass der Katastrophe bewusst. Er musste akzeptieren, dass eine Landung auf dem Mond nicht mehr möglich sein würde. Die Enttäuschung über den verlorenen Mond wich bald einem schieren Überlebenskampf. Haise, der sich wie kaum ein anderer mit der Technik des Mondlanders auskannte, funktionierte «Aquarius» innert Kürze zu einem Rettungsboot um. Das Raumfahrzeug, welches konstruiert wurde, um zwei Menschen zwei Tage lang zu beherbergen, musste nun drei Männern für vier Tage Schutz bieten.
Mission als Fundament für viele Prinzipien
Um dies zu ermöglichen, arbeiteten Mission Control und die Besatzung von Apollo 13 auf eine Weise zusammen, wie es nie zuvor in der Geschichte der Luft- und Raumfahrt vorgekommen war. Es wurden unter hohem zeitlichen Druck neue, nie vorher getestete Verfahren ausgearbeitet, die unter normalen Umständen viele Wochen und Monate an Entwicklungszeit in Anspruch genommen hätten, so z.B. das Reaktivieren des Kommandomoduls am Ende der sechstägigen Reise.
Fast ein halbes Jahrhundert nach diesem Ereignis berichteten Fred Haise und Experten aus verschiedenen Disziplinen in Luzern über die damals gewonnenen Erkenntnisse. Sie wurden von der Schweizerischen Raumfahrtvereinigung (SRV) eingeladen, um über Leadership, Crew Resource Management und Teamwork zu sprechen. Apollo 13 diente dabei als ideales Anschauungsbeispiel. Die Mission gilt heute als Fundament für viele der Prinzipien, die in den Folgejahren im Bereich des Crew Resource Managements entwickelt wurden und Eingang in das moderne Mehrmann-Cockpit gefunden haben.
Eine Explosion wurde nie simuliert
Haise wies anlässlich seiner Präsentation in Luzern darauf hin, dass jede mögliche Panne simuliert und trainiert wurde, zweifellos aber nie eine Explosion an Bord eines Raumschiffs – für einen solchen Fall rechnete man mit dem Verlust der Kapsel und der Crew schlechthin. Dass man sich in der Realität nun genau mit einem solchen Fall konfrontiert sah, forderte die Innovationskraft unzähliger Menschen am Boden und der drei Astronauten an Bord von Apollo 13. Das 30-Volt-System von «Aquarius» musste von etwa 50 bis 75 Ampere auf 12 Ampere heruntergedrosselt werden, um genügend Energie für den viertägigen Flug zur Verfügung zu stellen. Alle nicht lebenserhaltenden Systeme wurden deaktiviert und die Temperatur im Raumschiff sank auf den Nullpunkt.
Notwendiges Manöver nie trainiert
Da die Kohlen dioxidfilter des Mondlanders «Aquarius» nicht für die Rückkehr ausreichten und mit ihrer zylindrischen Form nicht mit den eckigen Filtern des Kommandomoduls kompatibel waren, musste mit Unterstützung von Mission Control eine Konstruktion gebaut werden, welche es erlaubte, die beiden Filtertypen zu verbinden. Sodann wurden Kurskorrekturen mit dem Triebwerk der Mondlandeeinheit durchgeführt – ein Manöver, welches so nie trainiert wurde und auch unter normalen Bedingungen sehr viel fliegerisches Geschick notwendig gemacht hätte. Die Übermüdung, die Kälte und der Hunger (es konnten aufgrund der fehlenden Energie keine warmen Mahlzeiten mehr zubereitet werden), trugen ihren Teil dazu bei, das Unterfangen anspruchsvoll zu gestalten.
Präsent, klar und scharfsinnig
Solche und andere Ereignisse des geschichtsträchtigen Flugs schilderte Haise im Verkehrshaus Luzern auf fesselnde Weise. Das Publikum und die Medienvertreter staunten über die fassbare Präsenz, Klarheit und Scharfsinnigkeit des mittlerweile 86 Jahre alten Astronauten. Haise liess keinen Zweifel offen, dass die vergangenen Jahre wenig Spuren an ihm hinterlassen haben. Seine Ausdauer, die nie sichtbare Erschöpfung und seine grosse Geduld anlässlich seines Besuches in der Schweiz waren bewundernswert. Zweifellos Eigenschaften, die er aus den Tagen bei der NASA mit ins hohe Alter genommen hat. Es überrascht deshalb auch nicht, dass er selbst heute noch auf den abenteuerlichsten Achterbahnen der USA fahre, wie er dem Verfasser dieses Beitrags erzählte, der das Privileg hatte, mehrere Tage mit ihm in Luzern zu verbringen.
Kein Raum für Angst
Während seines Besuchs in der Schweiz wurde Haise auch wiederholt darauf angesprochen, ob er der ständigen Fragen nach Apollo 13 nicht müde sei. Entspannt antwortete er jeweils darauf, dass er sich im Gegenteil sehr darüber freue. Es sei schön zu sehen, dass das Interesse an diesem Flug auch nach so vielen Jahren noch ungebrochen sei. Die einzige Frage, auf die er sichtlich irritiert reagierte, war jene, ob er auf dem Flug Angst verspürte. Das jahrelange Training, die umfassende Kenntnis aller Systeme und das Vertrauen in Mission Control und in die Crew liessen offensichtlich keinen Raum dafür. Auch die Frage, ob die Gründung einer Familie Auswirkung auf seine Risikobereitschaft zur Folge hatte, würdigte er nur mit einem knappen Kopfschütteln.
SRF 2 strahlt am Samstag, 2. Janaur 2021 um 20.10 Uhr den Spielfilm «Apollo 13» aus. Die ganze Welt bangte 1970 um die drei Astronauten, welche ihren Flug zum Mond nach der Explosion eines Sauerstofftanks abbrechen mussten. Fieberhaft arbeitete die NASA-Bodencrew an der Rettung. Der spannende Spielfilm schildert den Überlebenskampf im Weltall.