Das Konzept des in Frankreich ansässigen Unternehmens Stratoflight soll es erstmals ermöglichen, Menschen in grösserem Stil und ohne den Einsatz energiehungriger Raketen zu einem Ausflug in die Stratosphäre zu bringen. Arnaud Longobardi, Mitbegründer, Präsident und Chefpilot von Stratoflight, erklärt: «Stratoflight bietet den Passagieren gleich mehrere aussergewöhnliche Erlebnisse: den Aufstieg in die Stratosphäre, ähnlich einer Fahrt mit einem Heissluftballon, die Bewegung im Weltraum wie ein Astronaut auf der Aussichtsplattform und die Landung im freien Gleitschirmflug. Und all dies in einer Kapsel, die einem Raumschiff ähnelt. Für mich ist diese Mission nicht nur die Verwirklichung meiner Träume als Pilot, sondern auch eine technologische Innovation, die mit ihrer Nachhaltigkeit unseren Planeten respektiert.»

Raumfahrzeug mit Aussichtsplattform

Für die Verwirklichung des Projekts hat sich Stratoflight mit mehreren Entwicklungspartnern zusammengetan, um Expertisen und Kräfte zu bündeln. Expleos Aufgabe ist es, die Raumkapsel für dieses ehrgeizige Projekt zu entwerfen: Das acht Meter lange, vier Meter breite und drei Meter hohe Raumfahrzeug bietet Platz für zwei Piloten/Pilotinnen und vier Passagiere. Im Heck befindet sich ein «Balkon», der als Aussichtsplattform dient. Die Passagiere können sie mit einem Druckanzug betreten und so den ungehinderten Blick auf die Erde aus der Stratosphäre erleben – in einer Höhe, in der die Erdkrümmung deutlich sichtbar ist und die einen Horizont von rund 1240 Kilometern Breite eröffnet. Dies entspricht in etwa der Entfernung zwischen Barcelona und Amsterdam. 

Keine schädlichen Emissionen

Der gesamte Trip erfolgt nicht nur ohne schädliche Emissionen, sondern darüber hinaus hat Expleo die Kapsel zum grossen Teil aus biologischen, recycelten und recycelbaren Materialien konzipiert. Weitere europäische Partner im Programm sind beispielsweise die Unternehmen Swing für die Entwicklung der Gleitschirme oder Spartan Space, das die Druckanzüge beisteuert.

Rasanter Anflug

Die Ingenieure der Innovationslabors bei Expleo hatten eine Vielzahl von Parametern zu berücksichtigen, um sowohl die Sicherheit als auch intensive Erlebnisse für die Passagiere in einem mit großen Glasflächen versehenen Raumfahrzeug zu gewährleisten. Dazu zählten die Dimensionierung der Kapsel, das Design der Innen- und Aussenverkleidung sowie die Konzeption der Bordelektronik, der Sicherheitssysteme und der Aerodynamik. Die aus biologischen, recycelten oder recycelbaren Materialien konstruierte Kapsel kann dank ihrer aerodynamischen Form mit einer Geschwindigkeit von bis zu 140 km/h zur Landung ansetzen.

Neue Verbundwerkstoffe auf Bambusbasis

«Den Weltraum für alle zugänglich zu machen und gleichzeitig die Umwelt zu schützen ist das Hauptanliegen von Expleo in diesem Projekt. Unsere Teams von Raumfahrtingenieuren haben die Raumkapsel mit diesem doppelten Ziel im Hinterkopf entwickelt. Und wir haben die Absicht, noch viel weiterzugehen: Wir untersuchen derzeit die Möglichkeit, die Kapsel aus neuen, umweltfreundlichen Verbundwerkstoffen auf Bambusbasis zu fertigen, was ihren CO2-Fussabdruck noch weiter reduzieren würde. Wir sind stolz auf unsere Zusammenarbeit mit Stratoflight und auf unseren Beitrag zu dieser Innovation», erläutert Frédérique Rebout, Head of Space, Expleo.

Lange Aufstiegsphase

Der gesamte Trip wird inklusive Starvorbereitung rund 320 Minuten dauern, wobei der Aufstieg mit gut zwei Stunden die längste Phase darstellt. Hierfür will das Raumfahrzeug die bewährte drucklose Ballontechnologie mit grünem Wasserstoff nutzen, die bereits seit vielen Jahren von Raumfahrtorganisationen wie CNES und NASA für wissenschaftliche Flüge eingesetzt wird. Beim Aufstieg wird der Ballon sein Volumen um das etwa 128-fache durch den immer geringer werdenden Aussendruck vergrössern. Um einen tatsächlich Null-CO2-Fussabdruck zu gewährleisten, wird der Wasserstoff vor Ort am Startplatz aus erneuerbaren Energien, beispielsweise aus Solar- und Windenergie, erzeugt. 

Eine Stunde Zeit, um Aussicht zu geniessen

Der Aufenthalt in der endgültigen Position in 35 Kilometer Höhe dauert eine Stunde und gibt den Passagieren (immer zwei mit einem Crew-Mitglied als Sicherung) genug Zeit, die spektakuläre Aussicht auf der Plattform zu geniessen. Bis zu einer Höhe von rund 8000 Metern wird der einstündige Abstieg durch kontrolliertes Ablassen des Ballongases geregelt, danach erfolgt der Landeanflug zurück zur Erde mit einem gesteuerten Gleitschirm. Das Fly-by-Wire-System funktioniert dabei genau wie die Steuerung in einem modernen Flugzeug über Joysticks aus dem Cockpit. 

Einzelne Gleitschirme schaffen Redundanz

Zum Sicherheitskonzept, das die Expleo-Ingenieure entwickelt haben, gehört unter anderem auch der Einsatz von insgesamt vier einzelnen Gleitschirmen, was die Anforderung an redundante Sicherheitsvorkehrungen mehr als erfüllt, so Expleo.

Investoren wollen noch gefunden werden

Weltpremiere für das Fachpublikum feierte Stratoflight auf dem diesjährigen Astronautical Congress (IAC) vom 18. bis 22. September in Paris. Derzeit finden noch Gespräche mit verschiedenen Investoren statt und die Produktion soll sehr bald danach anlaufen. Laut Plan sollen die ersten kommerziellen Flüge ab 2025 stattfinden. Mehrere Flüge pro Jahr sollen dann für Personen reserviert sein, die sich besonders für die Erhaltung der Erde, die Wissenschaft und den Weltraum, die Bildung und die Wohlfahrtsarbeit einsetzen. Die Möglichkeit der Buchung von Flügen zur Stratosphäre wollen die Betreiber ab etwa Mitte 2023 öffnen. Wie viel die Ausfahrt in die Stratosphäre für zahlende Kunden kosten soll, ist bisher nicht bekannt.