Die Forschenden kombinieren Satellitendaten, Flugzeug- und Bodenmessungen, moderne Klimamodelle und ein neues Vorhersagesystem für Kondensstreifen. Insgesamt werden über die Projektlaufzeit 400 Linienflüge untersucht, die möglichst keine Kondensstreifen erzeugen. Aktuell führt das DLR zudem Messflüge mit seinem Forschungsflugzeug Falcon 20E durch, das Linienmaschinen von TUIfly bei Kondensstreifen-Beobachtungsflügen über Deutschland und Österreich gezielt hinterherfliegt.

Überraschende Herausforderungen

Um die Wirksamkeit der Massnahmen unter realen Bedingungen zu testen, führt das DLR konkret Messflüge gemeinsam mit der deutschen Fluggesellschaft TUIfly und dem österreichischen Luftfahrtunternehmen FLIGHTKEYS durch. Das Prinzip ist einfach: Wenn möglich, wird ausserhalb jener Regionen geflogen, in denen Kondensstreifen entstehen. Die Praxis zeigt jedoch, wie komplex das werden kann. Verspätungen oder Wetterveränderungen machen es schwierig, die ideal geplanten Routen exakt einzuhalten. Und manchmal bedeutet eine Ausweichroute auch etwas mehr Flugkilometer – und damit mehr Ausstoss von Kohlenstoffdioxid (CO2). Es gilt, robuste Abläufe und Lösungen unter diesen Randbedingungen zu entwickeln und zu erproben:

Umfangreiche Erprobung angekündigt

Das Projektteam arbeitet an einer vollautomatischen Datenpipeline, die Routenempfehlungen in Echtzeit liefert und sofort Rückmeldung gibt, ob ein Flug klimaverträglicher geplant werden kann. Satelliten sollen später überprüfen, ob die Strategie in der Realität tatsächlich weniger Kondensstreifen erzeugt. Die Netto-Klimabilanz wird zusätzlich mit Modellen berechnet. «Unser Ziel ist es, auf dem Weg zur klimaverträglichen Luftfahrt wissenschaftlich fundiert voranzuschreiten bei gleichzeitigem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit. Exakte Vorhersagen und automatisierte Prozesse zur Kondensstreifenvermeidung sind dafür wichtige Werkzeuge, die umfangreich erprobt und weiterentwickelt werden müssen. Hier bringen wir als DLR unsere umfangreiche Expertise und Systemkompetenz in der Luftfahrtforschung ein», sagt Dr. Markus Fischer, DLR-Bereichsvorstand Luftfahrt. 

Weniger Russ — weniger Kondensstreifen?

Neben der Flugplanung untersucht man in A4CLIMATE, wie neue Triebwerke und alternative Treibstoffe die Kondensstreifen-Bildung verändern. Besonders spannend: Einige Magerverbrennungs-Triebwerke stossen extrem wenig Russ aus – und Russpartikel sind wichtige Startpunkte für Eiskristalle. Ob weniger Russ auch automatisch zu weniger Kondensstreifen führt, ist allerdings noch ungeklärt. Um das zu testen, begleitet das DLR-Forschungsflugzeug Falcon 20E aktuell TUIfly-Passagierflugzeuge, die mit den innovativen, russarmen Magerverbrennungs-Triebwerken ausgestattet sind. Die Flüge führen dabei bewusst durch Kondensstreifen-begünstigende Regionen. So wird direkt in der Atmosphäre und unter realen Bedingungen gemessen, welche Eigenschaften die Kondensstreifen dieser neuen Triebwerke haben: «Wir wollen verstehen, wie stark sich die Klimaerwärmung reduzieren lässt, wenn Flugzeuge moderner und smarter unterwegs sind», erklärt Projektleiterin Prof. Christiane Voigt vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre.

Wie verändern sich Russ und Partikel?

Für die rund zweiwöchigen Flugversuche werden typische Reiseverbindungen von Deutschland nach Ägypten beflogen. Die Falcon 20E, betrieben von der DLR-Einrichtung Flugexperimente in Oberpfaffenhofen, fliegt mit etwa zehn Kilometer Abstand hinter ausgewählten TUIfly-Flügen. Das Team misst dabei die entstandenen Kondensstreifen mit einer hochgenauen Instrumentierung. Die Forschenden des DLR-Instituts für Physik der Atmosphäre untersuchen insbesondere, wie sich Russ und volatile Partikel im Abgasstrahl über einen Zeitraum von bis zu 30 Minuten verändern und die Kondensstreifen beeinflussen. Die Messdaten werden genutzt, um Modellsimulationen von Triebwerken und Kondensstreifen weiter zu verbessern und Wettervorhersagen zu präzisieren.

Abgase, sehr kalte und feuchte Luft

Kondensstreifen entstehen in grosser Höhe, wenn heisse Abgase auf sehr kalte, feuchte Luft treffen. Aus unscheinbaren Linien am Himmel werden so Eiswolken, die Wärme in der Atmosphäre festhalten und zur Erderwärmung beitragen. Ihr Klimaeffekt ist dabei ähnlich gross wie der des gesamten CO2 aus dem Luftverkehr. Die EU strebt daher das systematische Monitoring dieser Nicht-CO2-Effekte an.

Klügere Routen, modernere Technik

A4CLIMATE liefert damit erstmals umfassende Daten, wie Kondensstreifen vermieden, reduziert und klimaverträglicher gestaltet werden können. Das Projekt soll wissenschaftliche Grundlagen für neue EU-Regelungen schaffen und Airlines praktische Werkzeuge an die Hand geben. Die Forschenden betoen: die Klimaeffekte des Luftverkehrs verschwinden nicht über Nacht. Doch mit klügeren Routen, moderner Technik und belastbaren Daten liesse sich die Klimawirkung des Fliegens deutlich verringern. Europa könnte hier weltweit eine Vorreiterrolle einnehmen.