Der englische Triebwerkshersteller Rolls-Royce als traditioneller Triebwerkshersteller für Strahlturbinen hat sich inzwischen durch die Übernahme von Siemens e-Aircraft verstärkt den elektrischen Antriebssystemen verschrieben. Zwar haben einige Hersteller den Briten den Rücken gekehrt (z. B. Bye Aerospace), doch das hält das gegenwärtige Team nicht davon ab, sich konzentriert auf neue lukrativere Märkte zu stürzen. Eine Ausnahme ist das ACCEL-Programm, mit dem ein Geschwindigkeits-Weltrekord aufgestellt werden soll. Der Erstflug steht kurz bevor, auch wenn der Antriebsmotor von YASA kommt.

Dreierbündnis zwischen Tecnam, Widerøe und Rolls-Royce

Bereits seit 2018 arbeitet das italienische Unternehmen Tecnam mit Rolls-Royce zusammen. Es geht um ein Forschungsprogramm, das als H3PS1 die Möglichkeiten von Hybridtriebwerken untersuchen soll. Dazu hat man die kleine viersitzige Einmot P-2010 ausgewählt. Das von der EU geförderte Programm entstand zunächst mit Siemens und dem Verbrennungsmotorenhersteller Rotax. Der Parallel-Hybrid ist nicht unbedingt neu, auch nicht mit Rotax, doch er stellt eine interessante Perspektive dar.

Nachdem Tecnam auch mit der NASA ein anderes Forschungsproqramm unter X-57 gestartet hat, konzentriert sich das Unternehmen aber jetzt mit voller Kraft auf zwei wesentlich lukrativere Entwicklungsprogramme.

Nachdem Tecnam den 11-Sitzer entwickelt und zertifiziert hatte, ging das Unternehmen unter anderem auf die norwegische Firma Widerøe zu. Widerøe war 1934 Namensgeber der heutigen Fluggesellschaft Widerøe, die mit 45 modernen Dash 8 und Embraer E 190 41 Inlandsdestinationen sowie sechs internationale Flughäfen anfliegt und damit Skandinaviens grösste Regionalfluggesellschaft darstellt. Sehr schnell entstand das Dreierbündnis zwischen Tecnam und Rolls-Royce und der Fluggesellschaft Widerøe.

Kurze Strecken nur noch elektrisch

Schon 2019 hatte Stein Nilsen, Vorstandsvorsitzender von Widerøe sein Augenmerk auf CO2-freies Fliegen gesetzt. Mit Rolls-Royce kündigte er ein gemeinsames Forschungsprogramm an. Ziel des Programms war es, Konzepte für Elektroflugzeuge zu evaluieren und zu entwickeln, die dem norwegischen Ziel entsprechen, dass erste elektrifizierte Flugzeuge bis spätestens 2030 auf allen normalen Linienflügen im Inland zur Verfügung stehen und die Emissionen um 80 % zu senken. Kein Wunder: Norwegen gilt in Sachen Elektromobilität als das Land mit den höchsten europäischen Zuwachsraten.

Die Gesellschaft orientierte sich bereits in der Vergangenheit an den Möglichkeiten, besonders auf Kurzstrecken – in Norwegen topographisch bedingt – möglichst umweltfreundliche Flugzeuge wie die Turboprops DeHavilland Dash 8 einzusetzen. Unter Kurzstrecken verstehen die Norweger Strecken bis zu 275 Kilometer, was Flüge von nur 7 bis 15 Minuten bedeutet. Und die sollen zukünftig durch Elektroflugzeuge abgedeckt werden!

P2012 wird weiterentwickelt

Ein gemeinsames Forschungsprogramm unter Führung des italienischen Flugzeugherstellers Tecnam mit dem Triebwerkshersteller Rolls-Royce hat nun zur Weiterentwicklung des elfsitzigen, zweimotorigen Flugzeugs Tecnam P2012 geführt. Das Programm sieht je zwei elektrische Antriebsstränge von Rolls-Royce mit einem Pod unter dem Rumpf vor, der die Batterien für das Elektroflugzeug aufnehmen soll. Für den gesamten Antriebsstrang wird Rolls-Royce verantwortlich zeichnen.

Rob Watson, Direktor von Rolls-Royce Electrical, sagte dazu: «Die Elektrifizierung wird uns dabei helfen, unser Ziel zu erreichen, dass die Märkte, in denen wir tätig sind, bis 2050 einen Netto-Null-CO2-Ausstoss erzielen. Diese Zusammenarbeit stärkt unsere bestehenden Beziehungen zu Tecnam und Widerøe, während wir nachforschen.»

Volle Aufmerksamkeit den eVTOLs

Verläuft alles nach Plan, könnte P-Volt, wie die Elektro-Zweimot bezeichnet wird, bereits 2026 auf der Strecke eingesetzt werden. Noch grössere Hoffnungen setzt Rolls-Royce aber auf den Markt der eVTOL’s. Dem vollelektrischen eVTOL schenkt man die volle Aufmerksamkeit. Wie aus vielen Prognosen hervorgeht, wird sich ein Milliardenmarkt mit den eVTOL’s auftun. Hier rechtzeitig den Fuss reinzustellen, erscheint den Planern wichtiger als das Ausrüsten von kleine Einmotorigen, um die sich genügend andere Motorenhersteller bemühen. Umso stolzer präsentiert Rolls-Royce die neue Zusammenarbeit mit Vertical Aerospace. Das Unternehmen wartet mit einem schlüssigen Konzept eines eVTOL auf.

Vertical Aerospace sei ein wichtiger Partner, liess Rolls-Royce Electrical verlauten. Es sei das erste kommerzielles Geschäft auf dem UAM-Markt (Urban Air Mobility). Rolls-Royce werde die Systemarchitektur des gesamten elektrischen Antriebssystems entwerfen. Die neuesten elektrischen Antriebseinheiten der 100 kW-Klasse dienen dem Hoovern, der Transition und dem Vortrieb. Dazu zählt auch das Regel- und Überwachungssystem, denn das gegenwärtig in der Endmontage befindliche Muster wird nicht autonom, sondern pilotengesteuert sein. Bei Rolls-Royce sind gegenwärtig 150 Ingenieure mit den elektrischen Antrieben beschäftigt.

«Wir freuen uns, mit Vertical Aerospace hinsichtlich Elektrotechnik zusammenarbeiten zu können. Dieses spannende Projekt beweist unsere Ambitionen, ein führender Anbieter von nachhaltigen kompletten Stromversorgungssystemen für den neuen Markt für städtische Luftmobilität zu sein, der das Potenzial hat, die Art und Weise zu verändern, wie Menschen und Fracht von Stadt zu Stadt wandern», sagte Rob Watson.