«Der Abschlussbericht der Untersuchungsstelle SUST bildet für die Ju-Air die Grundlage zur endgültigen Aufarbeitung des tragischen Unglücks der Ju 52, das am 4. August 2018 zwanzig Menschenleben kostete. Die aufwändige und lange Untersuchung konnte den Flug und dessen Vorgeschichte praktisch lückenlos rekonstruieren und die direkten Ursachen für den Unfall belegen», schreibt die Ju-Air in einer Mitteilung, die sie heute im Anschluss an die Publikation des Schlussberichts Nr. 2370 veröffentlicht hat.

«Drei Tausendstel hinter der zulässigen Grenze»

«Die SUST kommt zum Schluss, das Flugzeug sei «hochriskant», in geringer Höhe, ohne Ausweichmöglichkeit aus dem engen Bergtal und in einer gefährlich tiefen Geschwindigkeit geführt worden. Der Schwerpunkt des Flugzeuges lag laut SUST zum Unfallzeitpunkt um drei Tausendstel hinter der zulässigen Grenze. Zum Unfall ebenfalls beigetragen haben laut SUST das problematische Risikoverhalten der beiden Piloten und ein Fehler in den Unterlagen zur Berechnung des Schwerpunktes aufgrund einer fehlerhaften Planungsunterlage», fasst die Ju-Air zusammen. In einem Video der Sust wird der Sachverhalt des Unfallfluges erklärend dargestellt.

Untersuchungen unterstützt

Die Ju-Air habe die Untersuchungen der SUST immer vorbehaltlos unterstützt und sei froh, dass die direkten Unfallursachen klar aufgezeigt werden konnten. Die Frage einer fehlerhaften Planungsunterlage für die Schwerpunkteberechnung werde derzeit analysiert. «Erste Abklärungen ergaben, dass dieser Fehler bereits 35 Jahre vor dem Unfall passierte, seither zu keinerlei Problemen Anlass gab und wohl deshalb weder durch die Ju-Air noch durch die Aufsichtsbehörde entdeckt wurde. Sie dürfte aber dazu beigetragen haben, dass der Schwerpunkt des Flugzeuges zum Unfallzeitpunkt um drei Tausendstel ausserhalb des zulässigen Bereiches lag.»

Knackpunkt Schwerpunkt

Diese Aussage korrespondiert mit der These des unabhängigen Experten Peter Frei. Frei ist Dipl. Masch. Ing. ETH, Luft- und Raumfahrt-Ingenieur. In seinem Bericht zeigt er auf, dass gemäss seinen Untersuchungen, Analysen, Berechnungen und Beurteilungen die Faktoren Flugwegwahl, Flugtaktik, Flughöhe und Fluggeschwindigkeit den Flugunfall nicht verursacht haben können. Die Piloten hätten auch mit Motorausfall oder starkem Abwind jederzeit vor dem Segnespass im Talkessel eine Umkehrkurve fliegen können, so seine Beurteilung. Frei hat in einem weiteren Bericht mit flugmechanischen Analysen aufgezeigt, dass die Ju 52 in gewissen, speziellen Flugzuständen nicht mehr steuerbar sei, so etwa bei gleichzeitigem Auftreten von Schwerpunktlagen leicht hinter dem zulässigen Bereich, einem Propellerschub, wie er bei der Reiseleistung des Unfallflugzeuges vorlag, und bei einem hohen Anstellwinkel des Flugzeugs nahe am Strömungsabriss.  

Mängel beim Flugbetrieb und Auflösung der internen Maintenance

Die Untersuchung förderte aber auch eine Reihe von Ergebnissen zutage, welche Mängel beim Flugbetrieb der Ju-Air aufzeigen, etwa beim Unterhalt der Ju 52. Dazu teilt Ju-Air mit: «Das verunfallte Flugzeug war zwar regelmässig durch die Aufsicht inspiziert und seit 2010 nicht mehr beanstandet worden und es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass ein technisches Problem zum Unfall beigetragen hat. Dennoch listete die Untersuchung bereits 2019 eine Reihe von Mängeln auf. Die interne Unterhaltsabteilung der Ju-Air wurde darauf noch 2019 aufgelöst.»

Ju-Air will Betrieb 2023 wieder aufnehmen

Die laufende Totalüberholung der Flugzeuge und der künftige Unterhalt seien an externe Fachpartner ausgelagert worden. Die Totalüberholung habe ein technisch neuwertiges Flugzeug zum Ziel, welches danach wieder über viele Jahre sicher betrieben werden könne, schreibt Ju-Air in der Mitteilung. Diese werde die sehr umfangreichen Untersuchungsakten und die Sicherheitshinweise der SUST nun detailliert analysieren und die Lehren aus dem Unfall in den künftigen Betrieb einfliessen lassen, betont das Unternehmen. «Im Hinblick auf die Wiederaufnahme des Betriebs im Jahr 2023 wird Ju-Air dem Bundesamt für Zivilluftfahrt sämtliche Teile des künftigen Betriebs zur Prüfung vorlegen und unter anderem nachweisen, dass sie die Sicherheitshinweise der SUST umgesetzt hat.»

Tiefes Bedauern

Zum Abschluss der Untersuchung erinnert die Ju-Air erneut an die 17 Fluggäste, die zusammen mit der Besatzung beim Unfall ihr Leben verloren und die zahlreichen Menschen, die den Verunfallten nahegestanden haben. «Der Unfall hat sehr viel Leid über eine grosse Zahl von Menschen gebracht. Die Ju-Air bedauert das zutiefst.»

Sicherheitsempfehlungen der SUST
Damit die Sicherheit in der Luftfahrt verbessert werden kann, spricht die SUST in ihrem Bericht acht Sicherheitsempfehlungen sowie sieben Sicherheitshinweise aus. Die Sicherheitsempfehlungen richten sich an das BAZL als zuständige Aufsichtsbehörde und sollen eine wirksame betriebliche und technische Aufsicht fördern. Mit den Sicherheitshinweisen spricht die SUST das Flugbetriebsunternehmen Ju-Air sowie die betroffenen Betriebe der Flugzeuginstandhaltung an. Sie sollen einer Verbesserung der betrieblichen Führung und einem sicherheitsbewussten Umgang mit Risiken dienen.