Solche «knappen, rasanten» Erdvorbeiflüge von kleinen Himmelskörpern finden jedoch recht häufig statt, werden aber von der Öffentlichkeit in der Regel kaum wahrgenommen; in diesem Jahr waren es allein schon rund 60.

Kaum eine Bedrohung für die Erde

Nur wenige Asteroiden sind darunter, deren Ausmasse im Falle einer Kollision mit der Erde wirklich bedrohlich wären. Auch der Asteroid 2011 ES4 ist weniger gefährlich, obschon er mit einem geschätzten Durchmesser zwischen 22 und 49 Metern zu den etwas grösseren seiner Art zählt. Ein Einschlag oder ein Auseinanderbrechen in der Atmosphäre würde voraussichtlich zu einem ähnlichen Ereignis führen, wie wir es am 15. Februar 2013 in der Gegend um die russische Stadt Tscheljabinsk erlebt haben. Damals zerbrach ein rund 19 Meter großer Meteor dreissig Kilometer hoch über der Stadt in der Atmosphäre und löste mit seiner Druckwelle zahlreiche Gebäudeschäden und Verletzungen bei Personen durch zerberstende Glasscheiben aus.

Der einige zehn Meter grosse Asteroid 2011 ES4 zieht jedoch am 1. September in einer sicheren Distanz von etwa 120'000 Kilometer an der Erde vorbei.

«Der nächste Impakt kann jeder Zeit geschehen»

«Der Weltraum ist zum Glück relativ leer und auf der Zeitskala eines Menschenlebens muss man - statistisch betrachtet - nicht unbedingt mit einem gewaltigen Einschlag rechnen wie zum Beispiel mit jenem, der vor 65 Millionen Jahren schlagartig zum Aussterben der Dinosaurier und anderer Arten geführt haben soll», erläutert Dr. Manfred Gaida, Astronom am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). «Dennoch, der nächste Impakt kann jeder Zeit geschehen.»

Dass «2011 ES4» zu den Apollo-Asteroiden gerechnet wird, rührt daher, dass der sonnennächste Punkt seiner Bahn, das Perihel, zwar innerhalb der Erdbahnebene liegt, die grosse Halbachse der Bahn aber mehr als eine Astronomische Einheit beträgt. Demzufolge «überqueren» diese Asteroiden regelmässig die Erdbahn und zählen deshalb zu den sogenannten Erdbahnkreuzern. Ein relativ gut bekannter und erforschter aus dieser Gruppe ist der 2 x 4 kilometergroße Asteroid «4179 Toutatis», der alle vier Jahre die Erdbahn mal mehr oder mal weniger weit entfernt kreuzt, zuletzt am 29. Dezember 2016 in 100facher Monddistanz. Mit der Erde befindet er sich in einer 1:4 und mit Jupiter in einer 3:1 Bahnresonanz, was einen «chaotischen» Bahnverlauf bewirkt. Darüber hinaus kreuzt er auch die Marsbahn. Dank Radarmessungen und Aufnahmen der chinesischen Mondsonde Chang’e 2 wissen wir, dass Toutatis‘ Gestalt dem Kern des Kometen Churyumov-Gerasimenko ähnelt.

Umfangreiche Überwachungssysteme

Während man Toutatis im Jahre 2004 bei seiner Erdpassage in vierfacher Mondentfernung sogar in einem lichtstarken Fernglas sehen konnte, wird 2011 ES4 am 1. September nur mit Hilfe eines grösseren Teleskops fotografisch zu erkennen sein, denn mit einer geschätzten, kurzzeitigen Helligkeit von höchstens 12,5ter Grössenklasse während seiner minimalen Erddistanz bleibt der Asteroid recht lichtschwach.

«Freilich ist es wichtig, ein möglichst genaues Bild von allen Objekten zu bekommen, die der Erde eines Tages gefährlich werden könnten», betont Dr. Christian Gritzner, Raumfahrtingenieur und Programmleiter für Sonnensystemmissionen im Raumfahrtmanagement des DLR. «Denn nur so erhalten wir hinreichend Kenntnis, um uns eines Tages nachhaltig vor den möglichen Einschlägen erdbahnkreuzender Körper schützen zu können, selbst wenn sie keinen global verheerenden Schaden anrichten würden.»

So hat man in den vergangenen Jahrzehnten weltweit umfangreiche Überwachungssysteme aufgebaut, die auch noch relativ kleine Asteroiden von Metergrösse auffinden. Und davon werden es immer mehr, wie man der Übersicht des Center for Near Earth Object Studies entnehmen kann. Ebenfalls werden Studien über wirksame Abwehrmöglichkeiten zunehmend detaillierter und es bleibt zu hoffen, dass ihre Ergebnisse bald raumfahrttechnisch erprobt und etabliert werden – gleichsam als eine Daseinsvorsorge gegen natürliche ausserirdische Gefahren.

Künftige Nahbegegnungen von einem lunaren Aussenposten?

Apollo-Asteroid «2011 ES4» dürfte jedenfalls noch oft seine Bahn unauffällig an der Erde vorbeiziehen. Im Jahr 2055 soll er den Berechnungen zufolge wieder näher kommen und in knapp zehnfacher Mondentfernung an der Erde vorbeisausen. Wenn die Menschen dann bereits auf dem Erdbegleiter Fuss gefasst und einen lunaren Aussenposten errichtet haben, könnten die Astronauten auf dem Mond solche Nahbegegnungen wahrscheinlich ungestörter verfolgen, als es von der Erde aus möglich ist. Und zweifellos ist die von Kratern übersäte Oberfläche des Mondes selber ein untrügliches und zugleich mahnendes Zeichen, alle Arten von Asteroiden, ob gross oder klein, nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.