40 Jahre Gruppe für eine Schweiz ohne … ohne was? Ohne eine Armee, wie sie jeder souveräne Staat hat. Ohne eine letzte Sicherheitsorganisation zum Schutz von Land und Bevölkerung. Ohne eine Armee eines Kleinstaates, der diese zu reinen Verteidigungszwecken benötigt. Eine Milizarmee, in der jeder Bürger gehalten ist, seinen Dienst an der Allgemeinheit zu leisten. Eine Armee mit der Bezeichnung «bewaffnet neutral», die zu unterhalten sich die Schweiz vor über 200 Jahren am Wiener Kongress gegenüber den europäischen Staaten verpflichtet hat. Und dies wurde im Völkerrecht 1907 nochmals bestätigt. Die GSoA will unsere «Friedensarmee» seit 40 Jahren abschaffen.

Wehrlosigkeit: nein

Gegründet wurde die GSoA 1982 (!), als Europa nur knapp vor einem Krieg stand. Im Osten standen 50 000 Panzer und neue Nuklearraketen SS-20 wurden an der Grenze zum Westen stationiert. Der Vorstoss an den Atlantik war im Detail geplant. Ich konnte nach dem Mauerfall mit einem MiG-29-Kampfpiloten der Nationalen Volksarmee (DDR) darüber sprechen. Seine Angriffsziele waren ihm bestens bekannt. Die Katastrophe einer Konfrontation konnte verhindert werden, indem der Westen nachzog mit der Stationierung von Pershing-II-Raketen und Cruise Missiles. Stärke zeigen, willens sein!

Wehrhaftigkeit: ja

Ein paar Jahre später implodierte die Sowjetunion. Stärke und Willen führten zum Erfolg derjenigen, welche sich in der Defensive befanden. Wenn man etwas aus der Geschichte gelernt hat, dann dies, dass Wehrlosigkeit sich nicht bewährt und im Leid der Bevölkerung endet. Wie in unserer Bundesverfassung geschrieben, soll die Schweizer Armee nur im äussersten Fall einen Krieg führen müssen. Vor allem aber soll sie einen kriegerischen Konflikt verhindern. Dazu muss sie Stärke zeigen und willens sein. Das ist die Aufgabe einer Regierung, denn sie trägt Verantwortung. Die GSoA muss keine Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. Sie kann locker etwas behaupten und postulieren. Der Name verrät ihre Absicht. Daher ist es müssig, mit ihr über einzelne Waffensysteme zu diskutieren, denn die Schweizer Armee soll weg.

Erster Versuch 1989

Den ersten Versuch zur Abschaffung der Armee startete die GSoA 1989. 65 Prozent der Bevölkerung sagten Nein. Der Anteil von 35 Prozent Ja-Stimmen wurde als Erfolg gefeiert. Nach dem Fall der Berliner Mauer 1990 rief die Gruppe Schweiz ohne Armee den «Ewigen Frieden» aus und erklärte das Ende der Geschichte und damit das Ende von Armeen. 30 Jahre später hat uns die Geschichte mit steigender weltweiter Konfliktgefahr und unzähligen Kriegen belehrt. Mit erneutem Machtaufbau und Machtausbau besinnen sich alle Staaten, auch die Schweiz, wieder auf Willen und Stärke. 

Die Schweiz ist keine Insel

Kein Staat in Europa schafft seine Armee ab. Kein Staat, der eine Armee besitzt, schafft seine Luftwaffe ab. Alle Staaten Europas, ausnahmslos, bemühen sich, mehr für die Verteidigung und Sicherheit auszugeben. Die Aufwendungen der NATO-Staaten (30!) gehen gemäss Beschluss gegen 2 Prozent des BIP (Bruttoinlandprodukt). Zurzeit bewegen sie sich zwischen einem und zwei Prozent. Und die Schweiz? 0,7 Prozent! Ein Vergleich unserer Sicherheitsanstrengungen mit anderen Staaten in Europa ist sehr wichtig. Wir sind keine Insel mitten im Ozean.

Je stärker, umso abhaltender

Die Schweiz ist nur so lange neutral, bis sie in einen Konflikt gerät. Dann sucht und braucht sie Partner. Ein solcher Partner, der sich über Jahre mit grossen Aufwendungen um seine Sicherheit bemühte und damit zur allgemeinen Sicherheit in Europa beitrug, der akzeptiert keine Schweiz, die sich nur um ihr eigenes Wohl kümmert und die ihre Sicherheitsanstrengungen vernachlässigt. Je stärker wir also sind, um so abhaltender wirken wir und um so schneller und besser können wir uns in der Not integrieren. Das ist Vorausplanung. Das ist strategisches Denken und Handeln. Das ist Verantwortung tragen für unser Land und seine Bevölkerung. Gouverner c’est prévoir.

Vorsehen und vorsorgen

Nun ist mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine mit aller Härte eingetroffen, was bisher als mögliches Szenario gehandelt – aber insbesondere von der GSoA als absurd abgetan wurde. Das Leben hat uns einmal mehr gelehrt, dass dann ein Szenario eintrifft, das man so nicht erwartet. Daher gilt dasselbe, was uns zum Abschluss einer Versicherung veranlasst: sich vorsehen und vorsorgen. Nicht die Diskussion über Szenarien zählt, sondern die vorhandenen Mittel in den Streitkräften. Das sind keine Hellebarden, sondern Kampfmittel wie Infanterie, Panzer, Artillerie, Kampfflugzeuge und Fliegerabwehrwaffen. Aber die Armee darf nicht für den Friedens­einsatz ausgelegt werden, sonst versagt sie im Konflikt. Und genau diese Fehlüberlegung kolportieren die Gegner laufend, indem behauptet wird, Kampfflugzeuge brauche es nur für den Luftpolizeidienst. Luftpolizei ist eine Friedensmission.

Sicherheit, Freiheit, Unabhängigkeit

Der GSoA-Aktivismus trägt dazu bei, unser Land zu destabilisieren, unsere Glaubwürdigkeit international ins Lächerliche zu ziehen, die demokratischen Prozesse unseres Landes zu schwächen und in letzter Konsequenz die Armee abzuschaffen. Die Schweiz basiert seit über 200 Jahren auf dem Grundsatz der bewaffneten Neutralität. Unsere Milizarmee, gepaart mit unserem Wehrwillen, hat unter anderem wesentlich dazu beigetragen, dass wir als einziges Land in Europa während über 170 Jahren keine kriegerischen Auseinandersetzungen auf unserem Territorium erleiden mussten.

Der vollständige Gastbeitrag von Markus Gygax ist in der gedruckten Ausgabe 7/2022 von «Cockpit» nachzulesen. Verpassen Sie keine Ausgabe und bestellen Sie noch heute ein Abo. Einzelne Ausgaben können unter diesem Link bestellt werden.