Ariane 6 soll das neue Flaggschiff des europäischen Raumtransportes werden. Bei der Ariane 6 handelt es sich um ein völlig neues Design, das als Nachfolger der Ariane 5 als Europas Schwerlastträgersystem entwickelt wurde. Mit der Möglichkeit, die Oberstufe der Ariane 6 neu zu starten, wird die europäische Startkapazität auf die Bedürfnisse von Missionen mit mehreren Nutzlasten zugeschnitten, zum Beispiel für die Umkreisung von Satellitenkonstellationen. Diese autonome Fähigkeit, die Erdumlaufbahn und den tiefen Weltraum zu erreichen, unterstützt die europäischen Programme für Navigation, Erdbeobachtung, Wissenschaft und Sicherheit. Die kontinuierliche Entwicklung der europäischen Raumtransportkapazitäten wird durch das anhaltende Engagement Tausender talentierter Mitarbeiter in den 22 ESA-Mitgliedstaaten ermöglicht.

Erste Tests

Am 18. Juli 2023 haben Ingenieure der ArianeGroup, des CNES und der ESA auf dem europäischen Weltraumbahnhof in Kourou, Französisch-Guayana zum ersten Mal erfolgreich eine Vorbereitungs- und Countdown-Sequenz für die Trägerrakete durchgeführt. Der 26-stündige Test umfasste den Abbau des mobilen Portals, das Herunterkühlen der Fluidiksysteme am Boden und in der Trägerrakete, das Befüllen der Tanks der Ober- und der Kernstufe mit flüssigem Wasserstoff (-253°C) und flüssigem Sauerstoff (-183°C) sowie den erfolgreichen Abschluss einer Startchronologie bis zur Zündung der Schubkammer des Vulcain 2.1-Triebwerks durch das Bodensystem.

Es passt alles

Während der Übung, die eine vollständige Startchronologie abbildete, testeten die Teams erfolgreich zahlreiche Stör- und Notfallmodi und bewiesen, dass die Trägerrakete und die Startbasis korrekt zusammenpassen. Betriebsverfahren, Unter- und Oberstufen, Avionik, Software, Startbasis und Kontrollbank arbeiteten korrekt zusammen, und die Leistung des gesamten Startsystems wurde mit hervorragenden Ergebnissen gemessen. Am 1. September folgte ein Heisszündungstest der Oberstufe. Diese wurden im Raketentriebwerkstestzentrum des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Lampoldshausen durchgeführt. Dieser ist für den Erstflug repräsentativ.

Nachhaltige Stufe

Die Oberstufe der Ariane 6, die am Standort der ArianeGroup in Bremen zusammengebaut wird, enthält einige der wichtigsten Innovationen der Trägerrakete, die es ihr ermöglichen, ein möglichst breites Spektrum an Startmissionen durchzuführen, darunter auch komplexe Missionen wie die grossflächige Aufstellung von Satellitenkonstellationen im niedrigen Erdorbit (LEO) oder das aufeinanderfolgende Einbringen von Nutzlasten in verschiedene Bahnebenen. Am Ende ihres Einsatzes wird die Stufe aus der Umlaufbahn entfernt. Die Stufe umfasst zwei Haupttanks für kryogene Treibstoffe (flüssiger Wasserstoff und Sauerstoff) zum Antrieb des Vinci-Triebwerks, das bis zu viermal neu gezündet werden kann, sowie die innovative Hilfsturbine (Auxiliary Power Unit, APU). 

Wasser- und Sauerstoff ersetzen Helium

Auch die Testsequenz der Oberstufe war repräsentativ für ihre volle Betriebsphase während des Erstflugs der Ariane 6. Sie umfasste mehr als 11 Minuten (680 Sekunden) Betrieb des wiederzündbaren Vinci-Triebwerks in zwei Boosts parallel zum Betrieb der APU (Auxiliary Power Unit), die insgesamt fast 30 Minuten lang in Betrieb war.  Die APU ermöglicht den Neustart von Vinci im Weltraum, indem sie einen ausreichenden Druck in den Kraftstofftanks aufrechterhält und Blasen in den Kraftstoffleitungen verhindert. Die APU verwendet kleine Mengen flüssigen Wasserstoffs und Sauerstoffs aus den Haupttanks und ersetzt damit ein System, das auf grosse Mengen von Helium aus den Tanks angewiesen war.

Nächste Meilensteine

Bereits am 5. September finden in Kourou die nächsten Tests statt. Kombiniert werden ein Heisszündungstest der Hauptstufe mit dem Vulcain 2.1-Triebwerk im stabilisierten Betrieb, Kourou. Im Unterschied zum vorangegangenen Heisszündungstest vom 18. Juli wird dieser mit einem 4-sekündigen dauernden stabilisierten Betrieb des Triebwerks Vulain 2.1 enden. 

Dieser Test gilt als wichtiger Meilenstein in der kombinierten Testkampagne. Sein Erfolg wird die Qualifikation aller Abläufe eines Ariane-6-Start-Countdowns ermöglichen. Er ist Teil der Gesamtqualifikation des Startsystems, das die Trägerrakete und ihre Bodenanlagen umfasst, insbesondere den für die Ariane 6 bestimmten Startkomplex ELA4 und seine Startzone ZL4.

Langzeittest

Ein Langzeit-Heisszündungstest ist für den 3. Oktober vorgesehen. Dabei wird die Hauptstufe mit stabilisiertem Betrieb des Triebwerks Vulcain 2.1 in Kourou getestet. Dieser Langzeittest wird mit einem stabilisierten Betrieb des Triebwerks Vulcain 2.1 von etwa 8 Minuten (470 Sekunden) enden. Dieser Test wird die gesamte Flugphase der Kernstufe abdecken und zur Qualifikation der Hauptstufe als «flugbereit» beitragen. Im Verlaufe des Herbestes ist zudem ein weiterer Heisszündversuch der Oberstufe ist geplant, um das Verhalten der Stufe in degradierten Fällen zu untersuchen. Ziel ist es, eine noch robustere Ariane 6 zu entwickeln. 

Regelmässige Informationen

Die Task Force aus Vertretern der obersten Führungsebene des Hauptauftragnehmers für die Trägerrakete und der französischen Raumfahrtbehörde CNES, des Hauptauftragnehmers für das Trägersystem ArianeGroup und des Startdienstleisters Arianespace will künftig regelmässig über die Fortschritte bis zum Erstflug der Rakete informieren. Sie besteht aus Vertretern der obersten Führungsebene des Hauptauftragnehmers für die Trägerrakete und der französischen Raumfahrtbehörde CNES, des Hauptauftragnehmers für das Trägersystem ArianeGroup und des Startdienstleisters Arianespace. Ein Update wird im Oktober erwartet. Dann könnte auch ein Zeitfenster für den ersten Start der Ariane 6 genannt werden.