Seit im Jahr 2011 unter anderem aus Kostengründen das Space Shuttle-Programm beendet wurde, waren die USA nicht mehr in der Lage, selber Astronauten in eine Erdumlaufbahn zu bringen. Die NASA war auf Russland angewiesen, um ihre ISS-Besatzungsmitglieder zur und von der Internationalen Raumstation zu transportieren. Aber nicht nur die USA, auch Europa und jedes andere raumfahrende Länder ausser China konnten neun Jahre lang nur mit den russischen Sojus-Kapseln ins All gebracht werden.

USA will im Bereich Raumtransport wieder unabhängig werden

Um dies zu ändern, wurde eine Public-Private-Partnership gegründet: Die NASA etablierte 2010 das Commercial Crew Program. Verschiedene Unternehmen wurden bei der Entwicklung privater Raketen und Raumfahrzeuge unterstützt.

SpaceX und Boeing haben sich mit ihren Projekten bis heute durchgesetzt und Aufträge erhalten, Astronauten zur ISS zu fliegen. Den Auftakt macht heute Abend SpaceX. Der auch als Tesla-Gründer bekannte Musk verbindet damit weittragende Interessen, denn auch seine Raketen vom Typ Falcon 9 werden dadurch vermehrt zum Einsatz kommen. Falcon 9-Raketen werden nach einem erfolgreichen Launch nach dem Freigeben der Nutzlasten entgegen der Flugrichtung gedreht und landen umgekehrt auf einer Plattform auf dem Atlantik. Das macht die Rakete widerverwendbar. Nach einem Check und Austausch einiger weniger neuer Teile muss sie nur neu betankt werden, um für weitere Starts verwendet werden zu können.

Crew Dragon startet heute Abend

Seit 31. Mai 2012 haben sich die Dragon-Fähren bereits als Raumfrachter für unzählige Frachtflüge zur Raumstation ISS bewährt. Am heutigen Mittwoch, 27. Mai 2020, um 22.33 Uhr mitteleuropäischer Zeit soll die Raumkapsel Crew Dragon an der Spitze einer Falcon 9-Rakete ins All starten und dabei erstmals zwei Menschen an Bord dabei haben: die beiden US-amerikanischen Astronauten Robert Behnken und Douglas Hurley. Behnken wird der Kommandeur der gemeinsamen Operationen für die Mission sein und für Aktivitäten wie Rendezvous, Andocken und Abdocken sowie Demo-2-Aktivitäten verantwortlich sein, während das Raumschiff an die Raumstation angedockt ist. Er wurde im Jahr 2000 als NASA-Astronaut ausgewählt und hat zwei Space-Shuttle-Flüge absolviert. Behnken flog STS-123 im März 2008 und STS-130 im Februar 2010 und führte während jeder Mission drei Weltraumspaziergänge durch. Er wurde in St. Anne, Missouri, geboren, hat einen Bachelor-Abschluss in Physik und Maschinenbau von der Washington University und einen Master-Abschluss und einen Doktortitel in Maschinenbau vom California Institute of Technology. Vor seinem Eintritt bei der NASA war Behnken bereits Flugtestingenieur bei der US-Luftwaffe.

Hurley wird der Kommandeur der Raumsonde für Demo-2 sein und für Aktivitäten wie Start, Landung und Wiederherstellung verantwortlich sein. Er wurde im Jahr 2000 als Astronaut ausgewählt und hat zwei Raumflüge absolviert. Hurley war im Juli 2009 Pilot und führender Roboterbetreiber für STS-127 und STS-135, die letzte Space-Shuttle-Mission im Juli 2011. Der gebürtige New Yorker wurde in Endicott geboren, betrachtet Apalachin jedoch als seine Heimatstadt. Er hat einen Bachelor of Science in Bauingenieurwesen von der Tulane University in Louisiana und hat einen Abschluss von der US Naval Test Pilot School in Maryland. Bevor er zur NASA kam, war er Kampfpilot und Testpilot im US-Marine Corps.

Start und Andockmanöver

Die Crew Dragon startet von Launch Pad 39A auf einer speziell instrumentierten Falcon 9-Rakete und beschleunigt seine beiden Passagiere auf ungefähr 27'000 km/h und setzt sie auf einen Abfangkurs mit der Internationalen Raumstation. Sobald sich die Besatzung und die SpaceX-Missionskontrolle im Orbit befinden, überprüfen sie unter anderem das Umweltkontrollsystem, die Anzeigen und das Kontrollsystem sowie die Manövrierstrahlruder. 24 Stunden später wird Crew Dragon in der Lage sein, sich zu nähern und an der ISS Raumstation anzudocken.

Das Raumschiff ist dafür ausgelegt, dies autonom zu tun, aber Astronauten an Bord des Raumfahrzeugs und der Station überwachen den Anflug und das Andocken sorgfältig und können bei Bedarf die Kontrolle über das Raumfahrzeug übernehmen. In diesem Zusammenhang die Anmerkung, dass die Umlaufbahn der ISS Russland zuliebe jeweils in eine Bahnneigung gewählt wurde, die der geografischen Breite des Abschussplatzes in Russland entspricht, während SpaceX mit der Dragon per «dogleg-Manöver» einiges aufwendiger fliegen muss, um das «Rendezvous» in einem Tag hinzukriegen.

Aufgaben in der ISS und Rückkehr zur Erde

Nach erfolgreichem Andocken werden Behnken und Hurley an Bord der Station begrüsst und Mitglieder der Expedition 63-Crew. Sie werden neben der Durchführung von Recherchen und anderen Aufgaben mit der Besatzung der Raumstation auch Tests an der Crew Dragon durchführen. Obwohl der für diesen Flugtest verwendete Crew Dragon etwa 110 Tage in der Umlaufbahn bleiben kann, wird die spezifische Missionsdauer einmal auf der Station basierend auf der Bereitschaft des nächsten Starts der kommerziellen Crew bestimmt. Das einsatzbereite Raumschiff Crew Dragon kann als NASA-Anforderung mindestens 210 Tage im Orbit bleiben.

Nach Abschluss der Mission wird Crew Dragon mit den beiden Astronauten an Bord autonom abdocken und wieder in die Erdatmosphäre eintreten. Nach der Landung direkt vor der Atlantikküste Floridas wird die Besatzung vom Rettungsschiff Go Navigator von SpaceX auf See abgeholt und nach Cape Canaveral zurückgebracht.

Crew Dragon vor NASA-Zertifizierung für lange Einsatzdauer

Die SpaceX Demonstration Mission 2, kurz SpX-DM2 oder Demo-Mission wird der letzte grosse Schritt sein, bevor das Commercial Crew Program der NASA Crew Dragon für betriebsbereite Missionen zur Raumstation mit langer Dauer zertifiziert. Diese Zertifizierung und der regelmässige Betrieb von Crew Dragon ermöglichen es der NASA, die wichtigen Forschungs- und Technologieuntersuchungen an Bord der Station fortzusetzen, was den Menschen auf der Erde zugutekommt und die Grundlage für die künftige Erforschung von Mond und Mars bildet, beginnend mit dem Artemis-Programm der Agentur wird die erste Frau und den nächsten Mann im Jahr 2024 auf der Mondoberfläche landen.

Schon im kommenden Jahr soll auch ein erster Europäer mit einer Dragon ins All gebracht werden. Es soll der Deutsche Matthias Mauerer sein, der sich gegenwärtig auf seinen ersten Raumflug vorbereitet. Er, wie auch die jetzt beiden amerikanischen Astronauten werden jeweils nach Ihrer Mission allerdings nicht so weich landen wie einst die Astronauten der Space Shuttles, sondern relativ hart auf dem Atlantik – nur gebremst durch Fallschirme – landen. Zunächst gilt es aber erst einmal die jetzige Crew von der Erde und später wieder sicher zurück zu bringen.

Livestream der NASA