Wie fühlen sie sich vor diesem letzten Flug?
Es ist ein etwas verwirrendes Gefühl, auch wenn ich mich voll und ganz auf meine letzte Mission konzentriere. Ein Flug ist eine ernste Sache, und ich möchte meine Aufgabe bis zum Ende so gut wie möglich erledigen. Erst nachdem ich gelandet bin, lasse ich mich von meinen Gefühlen leiten.

Wie ist Ihre Woche verlaufen?
In meiner Rolle als ETR-Instruktor bin ich viel geflogen. Daher habe ich weder die Zeit verstreichen sehen noch an meinen letzten Flug als Pilot der AAE gedacht. Letztendlich ist es gut, dass ich all diese Aufgaben zu erfüllen hatte. Ich denke, dass die grosse Leere nächste Woche kommen wird, wenn alles zum Stillstand kommt...

Was werden sie am meisten vermissen? Ist es das operative Geschäft oder das RSD?
Das sind wirklich zwei verschiedene Dinge. Im operativen Geschäft bin ich schon seit 2015 nicht mehr tätig. Das fehlt mir natürlich, aber ich habe mit der Tätigkeit in der Ausbildung und dem RSD einen anderen Weg im Beruf des Kampfpiloten eingeschlagen. Ich würde sagen, dass ich alles vermissen werde.

Übrigens verlasse ich die AAE zu einem ganz besonderen Zeitpunkt, nämlich dann, wenn die Kameraden die Ostflanken der NATO verstärken werden. Es fühlt sich wirklich seltsam an, jetzt zu gehen. Aber so ist das Leben! 

Hätten sie sich gewünscht, auf Patrouille zu gehen?
Ich hätte bevorzugt, wenn nichts passiert wäre. Aber als Kampfpilot möchte ich meinen Waffenbrüdern sagen, dass ich im Notfall da sein werde, um ihnen zu helfen. Wir sind immer für die AAE verfügbar. 

Bedauern Sie den Weggang?
Absolut nicht. Die AAE hat es mir ermöglicht, drei fantastische Kampfflugzeuge zu fliegen: die Mirage 2000N, die Mirage 2000D und schliesslich die Rafale. Ich kann auf eine sehr bereichernde Karriere mit viel Arbeit und auch vielen schönen Begegnungen zurückschauen.

Wie wird dieser letzte Tag ablaufen?
Ich beginne mit einem Interview (lacht). Danach werde ich die Planung meines heutigen Fluges verfeinern. Anschliessend esse ich, briefe und trete diesen letzten Flug an. Das Besondere ist, dass heute meine ganze Familie und Freunde hier sind. Da ich solche Erlebnisse gerne teile, war mir dies sehr wichtig. 

Am Abend werden wir ein kleines Fest feiern. All das wird mir helfen, das Erlebte zu «verarbeiten». Die nächste Woche wird vielleicht etwas härter für mich, aber darüber denke ich jetzt nicht nach. Ich fühle mich wie bei meinem Flug über La Réunion (Anm. der Redaktion: Heimat von Sébastien Nativel). Was ich dort erlebt und gesehen habe, wurde mir auch erst hinterher richtig bewusst, als ich den Film mit dem Flug über meine Insel geschnitten hatte.

Was ist auf dem heutigen Flug geplant, wer wird Sie begleiten?
Ich danke der Basis, dass sie mir einen Flug mit zwei Flugzeugen für eine Mission in geringer Höhe genehmigt hat. Hinter mir im Flugzeug sitzt Capitaine Vincent, er ist mechanischer Offizier und Lehrer an der Ecole de l'Air de Salon de Provence. Zudem ist er auch mein Schwager. An meinem Flügel begleiten mich zwei Freunde von der Basis hier in Saint-Dizier. Wir werden ein Training in geringer Höhe über der Bretagne durchführen. Später treffen wir uns mit einem PC-21, in welchem ein befreundeter Fluglehrer und sein Schüler sitzen. Wenn wir nach Saint-Dizier zurückkehren, werden wir zwei oder drei Überflüge machen, bevor wir landen.

Welches ist Ihre schönste Erinnerung?
Davon habe ich viele. Als Erstes würde ich den Flug über La Réunion nennen. Dann gab es einen Flug mit einer Mirage 2000 über Korsika, bei dem ich einen Wal direkt unter mir erspäht habe. Das war ein unglaubliches Erlebnis.

Hinzu kommen zahlreiche besondere Momente: Der Eintritt in die Pilotenschule der Luftwaffe, mein erster Flug in einem Flugzeug der Luftwaffe, einer Epsilon. Die ersten Flüge mit einer Mirage 2000 und einer Rafale. Bei meinem ersten Flug mit einem Jet war ich 21 Jahre alt, das ist jung… In Erinnerung bleiben mir auch mein erster Kriegseinsatz und meine erste Vorführung auf einer Rafale, bei der du dich in 500 Fuss Höhe auf dem Rücken liegend wiederfindest, während du die Landebahn hochfliegst.

In ganz besonderer Erinnerung bleibt mir auch meine erste Vorführung vor Publikum in Salon de Provence. Du steigst aus dem Flugzeug und weisst nicht, was du tun sollst, und man sagt dir, geh! Und dann bekommst du eine Welle der Anerkennung. Ich erinnere mich an diesen Moment, weil es ein Moment des Teilens war, der sowohl für das Publikum als auch für mich voller Emotionen war. Sie sehen, es gibt sehr viele schöne Erinnerungen.

Gab es auch negative Erfahrungen?
Es gab nicht nur gute Momente... Der erste Kriegseinsatz und diese schwierigen Umstände in den Einsatzgebieten, die alles andere als lustig sind. Ich denke an einige Piloten, die ich kennengelernt habe und die im Einsatz gestorben sind. Ein sehr guter Freund aus der Abschlussklasse, Xavier Chavaro, ist  an Bord einer Epsilon der Cartouches Dorées ums Leben gekommen. Bei jedem Flug mit dem RSD habe ich an ihn gedacht. 

Kampfpilot ist ein wunderbarer Beruf, aber er kann auch sehr hart sein. Die jungen Leute, die dieses Interview lesen werden, müssen wissen, dass es auch schwierige Momente gibt.

Aber es gibt es auch erfreuliche Begegnungen, oder?
Ja. Sie werden gleich einen Herrn sehen, den ich vor Kurzem kennengelernt habe und mit dem ich mich wirklich gut verstehe. Es handelt sich um den finnischen Rallyefahrer Ari Vatanen, der mir die Ehre erweist, bei meinem letzten Flug dabei zu sein.

Ich hatte auch die Gelegenheit, Louis Bertignac und viele andere Leute aus dem Publikum zu treffen, wie zum Beispiel einen kleinen Jungen namens Evan, der mir immer eine Flasche Wasser mitbrachte. Ich glaube übrigens, dass er den Pilotenberuf ergreifen wird.

Ist dieser letzte Auftritt vielleicht auch ein Höhepunkt für Ihre Familie?
Ja. Sie ist, glaube ich, erleichtert. Meine Frau und meine Kinder haben enorme Opfer gebracht, damit ich meinen Beruf und meine Leidenschaft voll ausleben kann, sei es bei Einsätzen oder während meiner Zeit bei beim RSD. Jetzt hat die Familie Vorrang und alle meine Entscheidungen werden sich an ihr orientieren. 

Wie wird Ihre Zukunft aussehen?
Ich werde weiterhin im Bereich der Luftfahrt tätig sein. Ich werde jetzt nicht meine Pläne enthüllen, aber ich würde sagen, dass es eine Wahrscheinlichkeit von nicht Null gibt, dass ich mit der Rafale fliegen werde. Da ich aber nicht ewig auf einem Kampfflugzeug fliegen möchte, habe ich alle Qualifikationen als Verkehrspilot absolviert und werde diese auch in Zukunft validieren.

Dann werde ich sicherlich eines Tages nach La Réunion zurückkehren, aber nicht sofort.