«Cockpit»: Captain Thoule, können Sie sich unseren Leserinnen und Lesern vorstellen?
JérômeThoule: Nach meinem BAC (Matura) und einer zweijährigen Zusatzausbildung trat ich 2001 in die Armée de l’Air ein, mit der festen Absicht, Kampfjetpilot zu werden. Im Jahre 2004, wurde ich auf dem Alpha Jet brevetiert. Danach wurde ich zum 33. Jagdgeschwader in Reims versetzt und auf die Mirage F1 umgeschult. Zwischen 2009 bis 2013 war ich wieder in Tours und als Instruktor auf dem Alpha-Jet tätig. Danach folgte die Ausbildung auf dem Rafale ausgebildet; anschliessend leistete ich zuerst in der Provence dann in Saint-Dizier Dienst. Bei dieser Gelegenheit lernte ich meinen Vorgänger als Rafale Solo-Pilot, Sébastien Nativel «Babouc» kennen. Nach einem Abstecher nach Mont de Marsan, bin ich seit September 2019 wieder in zurück in Saint Dizier.

Warum wollten Sie Luftwaffenpilot werden?
Ich lernte die Welt der Aviatik in meinem achten Altersjahr kennen, als mir meine Eltern ein Aviatik-Magazin schenkten. Von da an war für mich klar, dass ich Kampfpilot werden wollte. Ich kaufte mir alle Bücher und Fachmagazine, die ich bekommen konnte. Es war auch die Zeit, als Top-Gun in die Kinos kam. Bis zu meinem ersten physischen Kontakt mit einem Flugzeug dauerte es aber noch eine ganze Weile. Mit 16 nahm ich an einem Sommercamp für Jugendliche beim Annemasse Flying Club teil. Es waren grossartige Ferien! Wir waren für die Reinigung der Flugzeuge, das Wischen der Hangars, Malerarbeiten und solche Dinge verantwortlich. Für die Arbeiten wurden wir mit Flugstunden entschädigt. Das ermöglichte mir das Flugbrevet zu erwerben. In Annemasse traf ich auch Eric Goujon, der eine Art Mentor für mich wurde. Er brachte mir die Basics des Fliegens, vor allem aber militärische Disziplin bei. Er ist eine grossartige Persönlichkeit. Ich habe heute noch Kontakt zu ihm.

Wie viele Flugstunden haben Sie schon in Ihren Flugbüchern eingetragen?
Es sind 2850, aufgeteilt in 1000 Stunden auf Alpha Jet, 700 Stunden auf Mirage F1 CR und mehr als 1000 Stunden auf Rafale.

Welchen Flugzeugtyp würden Sie gerne einmal fliegen?
Ich bin sehr glücklich und stolz, die Rafale fliegen zu dürfen. Welchen Flugzeugtyp noch? – Das ist schwer zu sagen. Es gibt viele fantastische Maschinen aber meine Wahl fällt immer noch auf die Rafale. Müsste ich ein anderes Flugzeug nennen, dann wäre es die legendäre F-14 Tomcat, die Traummaschine einer ganzen Generation von Piloten.

Wie kamen Sie zu Ihrem Nikname «Schuss»?
Wie ich Ihnen bereits erzählt habe, stamme ich aus der Haute-Savoie, das Land des Skifahrens. Ich bin selber Skilehrer. Es dauerte nicht lange bis man von meinem Namen Thoule den Ausdruck «Tout Schuss» der nichts anderes als «geradeaus und sehr schnell» bedeutet, ableitete.

Sie sind nun Pilot des Rafale Solo Display. Was bedeutet Ihnen diese Aufgabe?
Es erfüllt mich auf jeden Fall mit grossem Stolz und es ist eine Ehre, die Armée de l’Air zu repräsentieren. Ich freue mich über die Nähe zum Publikum und die Nachrichten und Anfragen der Fans in den Sozialen Medien zu lesen. Ich freue mich darauf all die Enthusiasten an den Flugmeetings zu treffen.

Und was sagt Ihre Familie zu Ihrem Beruf?
Es ist so, dass die Entscheidung, diese Aufgabe zu übernehmen eine familiäre war. Schaut man in meine Agenda stellt man fest, dass das Jahr sehr ausgefüllt ist mit Terminen. Mit Ausnahme einer Pause im August, sind fast alle Wochenenden verbucht. Man kann eine solch verantwortungsvolle Aufgabe nicht ohne den Support der Familie übernehmen. In wenigen Jahren bin ich über fünf Mal umgezogen… Ich bin in der glücklichen Lage, dass mich meine Frau in allen Dingen immer unterstützt.

Wie muss man sich die Selektion des Solo Display Piloten vorstellen?
Zuerst muss sich ein Pilot aktiv bewerben, denn nicht alle Kampfpiloten möchten diesen Job ausüben. Es gilt, verschiedene Kriterien zu erfüllen. Eine Voraussetzung ist zum Beispiel, dass ein Anwärter mindestens 500 Flugstunden auf der Rafale aufweisen kann und als four-ship-Leader qualifiziert ist. Die Bewerbungen gehen an den bisherigen Piloten des Rafale Displays, in meinem Fall also an «Babouc». Dieser bewertet die fachliche und menschliche Eignung jedes Bewerbers und gibt seine Empfehlung ab. Dann werden alle Kandidaten vom Kommandanten interviewt. Dieser entscheidet am Schluss.

Was passiert nachdem man ausgewählt wurde?
Auf drei Flügen fliegt man hinter seinem Vorgänger her, der einen als Pilot des RSD ausbildet und coacht. So lernt man den Flug unter den herausfordernden körperlichen Bedingungen zu ertragen. Ich kann Ihnen versichern, dass ich noch nie so durchgeschüttelt wurde in einem Kampfjet. Dann war ich auch auf zwei Flügen mit der Patrouille de France mit dabei. Anschliessend wurde ich in die Zentrifuge geschickt, um die Auswirkungen der G-Kräfte zu trainieren, lernte Kunstflug in geringer Höhe und begann, mich physisch auf die Aufgabe vorzubereiten.

Sie haben das Training vor einer Weile begonnen. Das dürfte sehr anspruchsvoll sein!
Ehrlich gesagt ist es sehr fordernd. Nicht in erster Linie in technischer, sondern vor allem in körperlicher Hinsicht. Man muss fähig sein, auch einmal 11 G auszuhalten. Auch wenn die Vorführung nur zehn Minuten dauert, ist die Belastung intensiv. Der Körper leidet. Wir kommen mit roten Armen und Beinen aus dem Flugzeug. Seit ich mit dem Training begonnen habe, schlafe ich jedenfalls sehr gut (lacht). Ich werde auch von einem Fitness-Coach begleitet. Mit seiner Hilfe haben wir den Körper auf den extremen Stress vorbereitet, dabei geht es vor allem um die Stärkung der Nacken-, Rumpf- und Beinmuskulatur.

Wie sieht ihr wöchentliches Programm aus?
Ich trainiere die Vorführung gut drei Mal pro Woche, daneben verfolge ich meine Tätigkeit als Flight-Instruktor. Die restliche Zeit trainiere ich mit meinem Sport-Coach und bearbeite die Anfragen in den sozialen Medien.

Können Sie etwas zu ihrem Flugprogramm erzählen?
Die Inspiration holte ich mir bei den Programmen meiner Vorgänger, und verknüpfte sie mit meiner Erfahrung aus dem Alpha Jet. Dazu sah ich mir zahlreiche Videos anderer Demoteams an. Als ich alles zu Papier gebracht hatte, zeigte ich es Babouc. Anschliessend trainierten wir das Programm im Simulator. Dies erlaubt es zu sehen, ob die Figuren aufeinander abgestimmt sind. Der Nachteil ist, dass man die physischen Bedingungen dabei nicht spürt. Hier war es wichtig, dass Babouc seine Erfahrungen einbrachte.

Welches Manöver fliegen Sie am liebsten?
Um den Link zur vorherigen Frage zu machen: Der Take-off-loop ist sehr beeindruckend, sowohl für mich als Pilot, als auch für die Zuschauer.

Wie erleben Sie die Vorführung aus dem Cockpit?
Nun, um ehrlich zu sein, ich habe keine Zeit sie zu geniessen. Ich konzentriere mich auf das Leistungs-Management der Maschine und auf die Sicherheit. Erst wenn der Jet gelandet ist, die Triebwerke abgestellt sind und die körperliche Anstrengung nachlässt, ist es mir möglich ein Gefühl von Wohlbefinden und Befriedigung zuzulassen.

Greift Babouc während der Demo ein?
Nein, das geschieht normalerweise nicht. Er würde nur eingreifen, wenn die Sicherheit nicht gewährleistet wäre. Kürzlich warnte er mich zum Beispiel, als Vögel während der Vorführung in der Nähe der Vorführachse auftauchten. Auf der anderen Seite spreche ich viel während der Vorführung. Aus Sicherheitsgründen kommuniziere ich ihm Geschwindigkeiten, Höhen und Schlüsselpunkte via Funk.

Debriefen Sie jeden Flug?
Ja sicher. Nach dem Flug teilt mir Babouc all seine Beobachtungen mit. Zusätzlich wird jeder Flug gefilmt. Das Video schauen wir zusammen an und kommentieren es. Wir zeichnen auch ein Video im Cockpit auf, welches die Flugdaten aufzeichnet. Das Debriefing ist dazu da, Dinge zu korrigieren, die Qualität der Vorführung zu steigern und auch um zu sehen, was gut funktioniert hat. Man soll immer auch das Positive im Kopf haben.

Erhält die Vorführmaschine eine neue Bemalung?
Nicht in diesem Jahr. Aber ich kann verraten, dass wir mit Régis Rocca an einem neuen Design arbeiten. Es ist aber noch zu früh, um darüber zu sprechen.

Wissen Sie schon, wie es für Sie nach Ihrer Zeit als Pilot des RSD weitergeht?
Ich werde der Luftfahrt treu bleiben. Ich könnte mir eine Karriere in der zivilen oder der Business-Luftfahrt vorstellen. Vielleicht werde ich auch Testpilot in der Industrie, zum Beispiel bei Dassault. Aber bis dahin dauert es noch vier bis fünf Jahre. Und so oder so: Auch das wird wieder eine Entscheidung, die zusammen mit der Familie gefällt wird!