Ein neuer «Cyberkollege» ist auf dem Weg zum deutschen ESA-Astronauten Alexander Gerst: Der Technologie-Demonstrator «Cimon» und sechs weitere vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gemanagte Experimente für die horizons-Mission sind am Freitag, 29. Juni 2018 um 11.42 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit (5.42 Uhr Ortszeit) an Bord einer US-amerikanischen Dragon-Kapsel mit einer Falcon-9-Trägerrakete (SpaceX CRS-15) vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral in Florida zur Internationalen Raumstation ISS gestartet. Neben dem Astronauten-Assistenzsystem sollen ein neues Erdbeobachtungsinstrument, Experimente zur Zell- und Materialforschung sowie zwei Studentenexperimente am heutigen 2. Juli die ISS erreichen. An Bord des 15. ISS-Versorgungsflugs ist auch «Cimon». «Cimon» – ein Akronym für Crew Interactive MObile companioN – ist ein intelligenter Roboter, der im Rahmen der Horizons Mission des ESA-Astronauten Alexander Gerst und im Auftrag des DLR entwickelt wurde.

Inhalte und Prozesse am BIOTESC in Hergiswil entwickelt

«Wir setzen einen Roboter ein, der die Besatzung der ISS wie ein Kollege unterstützt», sagt Dr. Magdalena Herová, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Support-Zentrum BIOTESC der Hochschule Luzern. Cimon durchfliegt selbstständig das ESA Columbus Modul der ISS und positioniert sich dabei so, dass er den Astronauten in die Augen blicken kann. «Er kann die Antwort auf Fragen nachschauen, Smalltalk betreiben und etwa auf Kommando eines Astronauten an einen bestimmten Ort schweben, um dort die Temperatur zu messen.» Dafür musste er auch einen speziellen Wortschatz lernen, da in der Schwerelosigkeit Begriffe wie «oben» oder «unten» keine Bedeutung haben. Zudem kann er Schritt-für-Schritt-Anleitungen und Videos zeigen. Manche Aufgaben kann «Cimon» auf Kommando von BIOTESC erledigen, etwa ein Video aufnehmen und es zur Erde senden.

Ein internationales Team bestehend aus Spezialisten des BIOTESC, Hard- und Software-Entwicklern von IBM und Airbus Space & Defense und Wissenschaftlern der Ludwig-Maximilians-Universität München hat den fünf Kilo schweren Roboter entwickelt und mit künstlicher Intelligenz lernfähig gemacht. Die Mitarbeitenden von BIOTESC haben die Inhalte definiert, die «Cimon» kennen soll, und Prozesse zur Integration, Inbetriebnahme und für den Betrieb entwickelt. Unter Leitung von Dr. Gwendolyne Pascua, der «Cimon»-Spezialistin bei BIOTESC, entstanden Prozeduren und Bedienungsanleitungen für die Astronauten. Diese wurden in einer Umgebung getestet, die die Bedingungen der Station nachbildet. Sobald «Cimon» auf der ISS ankommt, werden BIOTESC-Mitarbeiter aus dem Kontrollraum in Hergiswil die Inbetriebnahme des Roboters leiten und jede seiner Bewegungen und Interaktionen mit den Astronauten verfolgen. Mit den gesammelten Daten wird «Cimon» Funktionalität stetig weiterentwickelt.

Interdisziplinäres Team im Auftrag des DLR

«Die Aufgabe war für das BIOTESC etwas Besonderes, weil viele Gebiete dabei integriert werden», sagt Dr. Pascua. BIOTESC, das Biotechnologische Support Center der ESA, ist am Departement Technik & Architektur der Hochschule Luzern angesiedelt und arbeitet im Auftrag der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Das interdisziplinäre Team betreut Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Experimente in der Schwerelosigkeit des europäischen Weltraumlabors Columbus machen wollen, und unterstützt Astronautinnen und Astronauten während der Durchführung dieser Experimente. Neben Cimon begleitet BIOTESC biologische Experimente in den Inkubatoren «Kubik» und «Biolab» und unterstützt Programme für Schüler und Studierende, z.B. Programmierwettbewerbe für den kleinen Computer «AstroPi». Im Rahmen des ESA Education Programm hilft BIOTESC bei der Produktion von Videos, in denen Astronauten physikalische und biologische Phänomene demonstrieren und erklären und dem Publikum das Leben auf der ISS näherbringen.

Weitere Informationen zum Astronautenkollegen «Cimon»
«Cimon» wiegt rund fünf Kilogramm und misst im Durchmesser 32 Zentimeter. Zwei grosse Batterien sorgen dafür, dass er rund zwei Stunden lang im Einsatz sein kann. «Cimon» kann seinen Kopf in weniger als zehn Sekunden um 180 Grad drehen – damit kann er beispielsweise auf Fragen der Astronauten mit Kopfnicken oder -schütteln reagieren. Fortbewegen kann er sich mit einer Geschwindigkeit von maximal 0,36 Metern pro Sekunde. Seine runde Form sorgt unter anderem dafür, dass er bei Zusammenstössen nicht so schnell kaputt geht und dass nicht so leicht Knöpfe gedrückt werden, wenn er versehentlich gegen Gegenstände fliegt. Sensoren helfen ihm zudem dabei, sich im Raum zurechtzufinden. Per Knopfdruck können die Astronauten den Roboter in einen privaten Modus schalten – dabei werden alle Streams unterbrochen und die Crew erhält Privatsphäre.