Ein Leben voller Wechselfälle mit existenziellen Erschütterungen und Triumphen: Claude Dornier musste sich im deutschen Kaiserreich, in der Weimarer Republik, in der Schweiz, im Nationalsozialismus und in der Bundesrepublik Deutschland behaupten. Weil die Luftfahrt als Schlüsseltechnologie allzeit von staatlichen Interessen geprägt war, brauchte es neben Genialität und Unternehmertum vor allem eines: Anpassungsfähigkeit – gerade auch als französischer Staatsbürger im Deutschen Reich.

Graf Zeppelin, bei dem er 1910 in Dienst trat, riet dem jungen Ingenieur zur deutschen Staatsbürgerschaft. Doch bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs schützte die ihn nicht vor Denunziation – eine Erfahrung, die ihn tief prägte: «Mein Leben lang habe ich an der Zwiespältigkeit meiner Nationalität gelitten», schrieb er in seinen Memoiren.

Aus dem Nichts werden  Wasserflugzeuge gebaut

Schon nach kurzer Zeit in den Werkstätten des Zeppelin-Erbauers erkannte Dornier die Untauglichkeit der Luftschiffe als Kriegswaffe. Und so begann er mit der Entwicklung von Flugzeugen und erfand die Schalen-Bauweise für Flugzeugrümpfe – mit einer tragenden «Blechhaut», die dem Rumpf Stabilität gab: bis heute ein Grundprinzip des Flugzeugbaus. Nach dem Ersten Weltkrieg durfte Deutschland keine Flugzeuge mehr bauen. Von über 2000 Mitarbeitern konnte Dornier, mittlerweile auf der Karriereleiter nach oben gestiegen, nur 80 weiter beschäftigen. Sie mussten auf Anweisung der Siegermächte ihre eigenen Flugzeuge zerstören. Für den besessenen Ingenieur ein Schock: «Zwei Tage lang schallte der dumpfe Ton der Vorschlaghämmer und das Kreischen der Sägen von der Halle zu mir herüber. Ich habe sie während dieser Zeit nie betreten», erinnerte er sich.

Der Konstrukteur mietete auf der Schweizer Seite des Bodensees ein Bootshaus und schaffte in einer Nacht- und Nebelaktion bereits produzierte Bauteile nach Rorschach. Dort entwickelte er sein erfolgreichstes Flugboot – die Do J, auch «Wal» genannt, das dann in Italien gebaut wurde. Das Wasserflugzeug brach 20 Weltrekorde und verkaufte sich in die ganze Welt. Gleichzeitig testete Dornier in Dübendorf die Do B «Merkur». Mit dieser Maschine schaffte der spätere Swissair-Gründer Walter Mittelholzer 1926/27 seinen legendären Erstflug nach Südafrika. 1926 gründete Claude Dornier in Altenrhein die Aktiengesellschaft für Dornier-Flugzeuge, dort sollen der Zeit weit vorauseilend, die Pläne für ein fliegendes Schiff  umgesetzt werden. Inzwischen entstanden auch in Friedrichshafen Konstruktions- und Fertigungsanlagen.

Do X, das grösste Flugzeug der Welt, entwickelt in Altenrhein

Im Auftrag des Deutschen Reiches startet Claude Dornier in Altenrhein den Bau des Flugbootes Do X, dem grössten Flugzeug seiner Zeit. Experten erklärten den Giganten der Lüfte für flugunfähig, doch 1929 hob die Maschine auf dem Bodensee zu ihrem Jungfernflug ab. Claude Dornier: «Es war einer der schönsten Momente in meinem Leben.»

Die Do X flog um die Welt und bewies damit die Machbarkeit von Kontinentalflügen mit Grossraum-Flugzeugen. Und sie begründete den Weltruhm Dorniers. Beflügelt von diesem Erfolg löste er seine Werke in Deutschland und der Schweiz aus dem Zeppelinkonzern heraus. Damit wurde er Chef von über 10'000 Mitarbeitern und zu einem der grössten Flugzeugproduzenten Deutschlands, neben Hugo Junkers und Ernst Heinkel.

Atlantiküberquerungen mit Dornier Flugboote

Dornier hegte schon früh die Idee, den Atlantik mit seinen Flugbooten  zu überqueren, das Flugboot Do X schaffte es problemlos. Doch um den regelmässigen Luftpostdienst einzurichten, gelang ein zweites Experiment, als ein Flugboot «Wal» von einem Flugzeug-Mutterschiff durch Katapult gestartet, über den Süd-Atlantik flog, ein Meisterstück an Präzisionsarbeit. Der planmässige Postverkehr wurde 1934 eröffnet, bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges fanden 419 Flüge statt und dies ohne nennenswerte Verspätungen. 1936 startete eine Do 18 bei den Azoren und flog in 22 Stunden nach New York, somit konnte auch der Nordatlantik kommerziell für den Luftverkehr erschlossen werden.

Dunkle Wolken über die Dornier Werke

Das Dritte Reich beeinflusste nach der Machtübernahme sehr schnell die weitere Entwicklung der Dornier-Werke. «Ich habe mein gänzliches Desinteressement am politischen Geschehen kaum verbergen können», schrieb Dornier später. Doch das Schicksal des anderen grossen Flugzeugpioniers blieb natürlich haften, denn Hugo Junkers wurde als erklärter Nazi-Gegner enteignet. Und auch Claude Dornier selbst konnte die Entwicklung seines Unternehmens nicht mehr unabhängig bestimmen. Die Nazis hatten de facto die Luftfahrtindustrie übernommen und bestimmten deren Entwicklung und die noch junge deutsche Luftwaffe benötige neue Jagdflugzeuge und Bomber – und Dornier lieferte. Endlich erwachten England und Frankreich, spätestens am 26.Juli 1937 in Dübendorf, anlässlich des internationalen Flugmeetings.

Die modernsten Flugzeuge aus aller Welt gaben sich ein Stelldichein. Als Sieger des Alpenrundflugs wurde nicht, wie Aviatik-Fachleute erwarteten, ein Jagdflugzeug, sondern die Do 17, der «Fliegende Bleistift». Eine aerodynamisch ideal geformte Zelle, kombiniert mit leistungsstarken Triebwerken, verblüffte die Welt. Der Serienbau begann und bald sollte London von tödlichen Bomben dieser fatalen Do 17 erschüttert werden.

Produktion von Militärflugzeugen

1937 belieferten die Dornier Werke die berüchtigte deutsche Legion Condor mit einer Bomberflotte, die im spanischen Bürgerkrieg die ersten Luftschläge der Geschichte gegen eine Zivilbevölkerung führte: Die völkerrechtswidrige Zerstörung der Stadt Guernica. Claude Dornier arrangierte sich auch weiterhin mit den Machthabern, erst zwei Jahre nach Kriegsbeginn trat er in die NSDAP ein. Sein Lieblingsprojekt konnte er damit freilich nicht retten: ein Transatlantikflugboot als Nachfolge der Do X. Das zähe Festhalten an diesem zivilen Projekt hatte seinen Fabriken von den Nazis den Spitznamen «Dornröschenwerke» eingetragen.

Dornier selbst war jetzt lediglich «Handlungsbevollmächtigter» unter den Nazis. Er verzichtete aber weiterhin auf Uniform – ein Zivilist durch und durch. Gleichwohl verliessen weit Tausende Flugzeuge seine Werke für den Kriegseinsatz, gebaut von 15‘000 Beschäftigten, viele davon Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter. Als bemerkenswerte Konstruktion war die Do 335, ein Kampfflugzeug mit je einem Motor im Bug und Heck. 

Ein Anti-Nationalsozialist war Dornier wohl auch nicht, die Alliierten stuften den Flugzeugkonstrukteur nach dem Krieg als «Mitläufer» ein. Nach dem verlorenen Krieg stand Claude Dornier buchstäblich vor dem Trümmerhaufen seines Lebenswerks: Die deutschen Werke waren zerbombt, die Anlagen beschlagnahmt.

Zurück in die Schweiz

Dornier zog in die Schweiz und wohnte fortan in Zug. 1948 musste er auch sein Schweizer Werk verkaufen und begann in einem kleinen Büro in Rorschach ganz von vorne. Er investierte in die Entwicklung von Webstühlen und Medizinal-Technik, blieb aber auch seiner grossen Leidenschaft treu – dem Flugzeugbau. Nun aber nur noch als Nischenplayer. Dornier erlangte mit Kurzstart- und Senkrechtstart-Flugzeugen, mit Forschungs- und Überwachungsfliegern erneut Weltruf.

1956 startete eine Do 27, ein Kurzstartflugzeug, das auch die Schweizer Flugwaffe beschaffte, erstmals in Oberpfaffenhofen. Es folgte die Do 28, später entstand die robuste Do 228, die heute noch fliegt. Dorniers Kreativität  gipfelte in der Entwicklung der  Experimentier-Flugzeuge Do 31 E und Do 231 mit Senkrecht-Start und Lande-Eigenschaften. Zuletzt erhielt Dornier den Auftrag, gemeinsam mit Dassault/Breguet den Strahltrainer Alpha-Jet zu bauen.

Do – der Name lebt weiter

Am 5. Dezember 1969 starb Claude Dornier an seinem Wohnort in Zug. Seine Dornier-Werke wurden Teil der European Aeronautic Defence and Space Company (EADS). Das Werk in Oberpfaffenhofe  aber ging in Schweizer Hand über. Die Ruag baut dort Flugzeuge, die den Namen des legendären Flugzeugpioniers tragen, die Do 228NG.

Auch in Nigeria fasste Dornier Fuss, während  Jahrzehnten bestand zwischen dem Flugzeughersteller Dornier und dem westafrikanischen Staat eine enge Zusammenarbeit. Die Kooperation beschränkte sich zu Beginn nicht nur auf die Lieferung von Flugzeugen – Do 27, Do 28 Skyservant und Do 228/328 -, sondern sie förderte besonders den Technologie- und Know-how Transfer für die zivile Luftfahrt in Nigeria. Dazu beigetragen haben Justus Dornier, der vierte Sohn von Claude Dornier, und der visionäre Luftfahrtingenieur und Unternehmer Dr. Siegfried Genz. Beide gründeten die Beteiligungsgesellschaft  AIEP Ltd in Kaduna (heute Dornier Aviation Nigeria AIEP Ltd.). Noch heute fliegen die bewährten Do 228 und Do 328 in Nigeria, die Firma beschäftig über 200 Personen, die sich mit Pilotentraining, Wartungs- und Reparaturarbeiten für die eigenen Maschinen und für weitere Flugzeugtypen im Auftrag von Kunden befassen.