Es ist schon lange her, seit der Flugplatz Dübendorf das Tor der Welt bedeutete, als wenige Betuchte sich wagten, in ein- und zweimotorige Flugzeuge zu steigen und nach europäischen Destinationen zu fliegen.

Ruhe vor dem Sturm

Die Swissair, 1931 durch die Zusammenlegung der beiden Fluggesellschaften «Ad Astra-Aero A.G.» und «Basler Luftverkehrs A.G. Balair» entstanden, war in den dreissiger Jahren ein junges, aufstrebendes Luftfahrtunternehmen. 1935 begann die Umrüstung der Flotte mit dem Ersatz der alten Fokker-Flugzeuge durch moderne Douglas DC-2 und DC3-Maschinen. Der Luftverkehr in Europa entwickelte sich sehr zufriedenstellend. Natürlich blieben die Kriegsvorbereitungen in Deutschland niemandem verborgen. Trotzdem ging es mit der Wirtschaft endlich wieder aufwärts, was auch zu einer anhaltenden Steigerung von Angebot und Nachfrage im Luftverkehr beitrug. Bei der Swissair erwies sich die dank der neuen Douglas-Flugzeuge möglich gewordene direkte Flugverbindung nach London Croydon Airport als Goldgrube. Auch mit Deutschland, wo zur Lufthansa seit jeher enge Beziehungen bestanden, intensivierten sich die Verkehrsverbindungen.

Es gab viele Sonderflüge, wie Gold-, Kranken- oder spezielle Frachttransporte. Auch Emigranten waren willkommene Passagiere auf Swissair-Flugzeugen. Der Personalbestand vergrösserte sich in allen Bereichen sukzessive. In Dübendorf, dem Heimatflughafen der Swissair, herrschte reger Flugbetrieb, mit Interesse verfolgt von oft zahlreichen Zuschauern. Der Geschäftsgang war erfreulich, wenn nur nicht dieses unheimliche Gefühl einer immer näher rückenden unaufhaltsamen Katastrophe gewesen wäre ...

1939, das erste Kriegsjahr – Betrieb wird eingestellt

Am 27. August 1939, kurz vor Ausbruch des 2. Weltkrieges, erfolgte die Sperre der Lufträume über Deutschland und Frankreich. Die Swissair stellte die Verbindungen nach Amsterdam, Paris und London, zwei Tage später den ganzen Flugbetrieb ein. Von total 179 Swissair-Angestellten rückten anlässlich der Generalmobilmachung 131 in den Militärdienst ein. Einige wenige erhielten einen «Kriegsdispens» und konnten wieder an ihre Arbeitsplätze zurückkehren, die übrigen mussten entlassen werden. Trotz Anstrengungen zur Wiederaufnahme des Luftverkehrs – Swissair verhandelte ergebnislos mit Italien und Berlin, wartete die gesamte Flotte zusammengepfercht und vollgetankt in einem Hangar in Dübendorf auf den Neustart. Das Geschäftsjahr schloss erstmals seit der Gründung mit einem Verlust von 5978.75 Franken ab.

1940, das zweite Kriegsjahr – Flugbetrieb ab Locarno

1940 mussten die Operationen wegen der drohenden Invasion aus Deutschland vorübergehend nach Locarno-Magadino verlegt werden. Von dort aus startete der Flugbetrieb in die noch nicht kriegführenden Länder Italien und Spanien. Während sechs Monaten bediente die Swissair die Strecken Locarno-Rom und Locarno-Barcelona. Für die Flugscheine bezahlten die Reisenden nach Rom 85 und 200 Franken und nach Barcelona (heute? inflationsbereinigt 604 beziehungsweise 1420 Franken). Letztere Strecke benutzten insbesondere jüdische Emigranten als Tor für die Freiheit. Nach Italiens Kriegseintritt stellte die Swissair den Streckenbetrieb wieder ein. Ab September 1940 konnte einzig die Strecke Zürich-München betrieben werden, die Flugzeuge erhielten zur besseren Identifikation der Fliegerabwehr fortan einen rot-weissen Neutralitätsanstrich. Trotz des Verkaufs von Ersatzteilen und einer DC-3 an die schwedische A/B Aerotransport, schloss die Swissair das Jahr 1940 mit einem Verlust von 211'139.9 ab. Die Anzahl beförderter Passagiere sank um 95 %, verglichen mit dem letzten Vorkriegsjahr.

1941, das dritte Kriegsjahr – Stuttgart als einzige Swissair Destination

Anfangs war die Swissair noch optimistisch, als im Auftrag des Eidg. Luftamtes eine Delegation in Berlin weilte, um den Sommerflugplan mit der Lufthansa abzustimmen. Flugverbindungen Schweiz-Berlin, mit Anschluss an Skandinavien, Finnland, Russland, eventuell im Pool mit der ungarischen Luftfahrtgesellschaft, standen auf den Traktanden. Wohlwissend, dass auf dem Obersalzberg, der Sommerresidenz von Adolf Hitler, die Angriffspläne gegen Russland bereits beschlossen waren, beendete die deutsche Delegation die Gespräche. Am 22. Juni begann die Wehrmacht den Russland-Feldzug. Erst im November traf die Bewilligung zum Befliegen der Strecke Zürich-Stuttgart ein, dabei musste die ertragsmässig positive Verbindung nach München eingestellt werden. Trotz widrigen Umständen verzeichnete die Swissair einen Gewinn von 10'187.42 Franken.

1942, das vierte Kriegsjahr – lukrative Lufthansa Aufträge für die Swissair

Berlin war die einzige Stadt, die von der Swissair angeflogen werden durfte. Stuttgart war wegen Schneefällen lange gesperrt. Im Januar reisten Delegierte des Bundesrates nach Berlin, um über die Eröffnung einer Luftverkehrslinie der Swissair von der Schweiz nach Barcelona und Lissabon zu verhandeln. Es ging also um nichts weniger als um die Möglichkeit, ohne Kontrolle von Nazi-Deutschland, zu den Alliierten zu reisen. Das Dritte Reich gewährte die gewünschten Überflug-Bewilligungen natürlich nicht. Interessante Anekdoten beleuchten die Beziehungen von Erhard Milch, früheres Vorstandsmitglied der Lufthansa, dann als Generalinspekteur der Luftwaffe zum General-Feldmarschall befördert, zu schweizerischen Fliegerkreisen. Milch besuchte das Internationale Flugmeeting 1937 in Dübendorf und kam während des Krieges mehrmals per Swissair zu Kurzbesuchen nach Zürich. Er beauftragte übrigens während eines separaten Treffens in Berlin den technischen Direktor der Swissair, Henry Pillichody damit, ihm eine vollständige Skiausrüstung zu kaufen und diese in Arosa zu deponieren. Offenbar glaubte Milch nicht mehr an den Endsieg, denn er wurde später auch in der Bahnhofstrasse in Zürich gesichtet. Gemäss Aussagen von Swissair-Besatzungen seien sie mehrfach gebeten worden, Geldbeträge von Milch in die Schweiz zu bringen.

Der Jahresabschluss der Swissair war für das Jahr 1942 erfreulich, ein Betriebsgewinn von 135'226.25 konnte ausgewiesen werden, dies dank Arbeitsaufträgen von Dritten. Der weitaus grösste Teil stammte von Aufträgen der Deutschen Lufthansa für die Reparatur und Überholung von DC-3 Flugzeugen in der Werfthalle der Swissair in Dübendorf.

1943, das fünfte Kriegsjahr – Flüge nach Berlin mit Sonderbewilligungen

Angesichts der zahlreichen alliierten Fliegerangriffe auf Deutschland, muss es als ein Wunder bezeichnet werden, dass mit diesem Land ein einigermassen regelmässiger Luftverkehr überhaupt aufrechterhalten werden konnte. Nach dem 30. Januar 1943 blieb für die Swissair nicht mehr viel übrig. Ab diesem Datum musste auf Verfügung der Deutschen Reichsregierung der Betrieb auf dem lukrativen Teilstück Stuttgart-Berlin-Stuttgart eingestellt werden, so dass nur noch Zürich-Stuttgart-Zürich erhalten blieb. Für die Beförderung von Delegationen nach Berlin führte die Swissair Verlängerungsflüge nur mit Sonderbewilligungen durch. Eine Anekdote belegt die Spannungen zwischen dem Dritten Reich und der Schweiz. Mit einem Rapport berichte Flugkapitän Hans Ernst über einen Vorfall am 15. Januar 1943 mit einem Beamten der Gestapo in Berlin Tempelhof. Ernst wurde kurz vor dem Start in Berlin aus dem Flugzeug geholt und angeherrscht, dass er einen Gestapo- Beamten nicht gegrüsst habe und damit rechnen müsse, die Einreiseerlaubnis zu verlieren. Flugkapitän Ernst hätte entgegnet, dass er nicht jeden Unbekannten grüssen müsse, übrigens sei er Hauptmann der Schweizer Luftwaffe und der involvierte Gestapo-Beamte, im Range eines Oberleutnants, hätte ihn zuerst grüssen müssen. Nach einer Verwarnung konnte Flugkapitän Ernst ins Cockpit zurückkehren.

Das Jahresergebnis sah trotz den Einschränkungen gar nicht so schlecht aus, nach Abschreibungen ergab sich ein Brutto-Rechnungssaldo von 170'000 Franken.

1944, das sechste Kriegsjahr – DC-2 in Stuttgart durch Bomben zerstört

1944 intensivierte sich der Luftkrieg über Europa zunehmend und Überflugbewilligungen nach Deutschland waren fast unmöglich. Am 9. August zerstörten amerikanische Bomberverbände eine DC-2-Maschine in Stuttgart vollständig, was ab August 1944 infolge der massiven Fliegerangriffe über süddeutschem Gebiet die Swissair zwang, den Flugbetrieb erneut einzustellen. Die angebotene Kilometerleistung sank dadurch auf 75'376 km, was etwa 5 % des Vorkriegsflugbetriebs entsprach.

Trotz Sondereinnahmen durch Arbeitsaufträge von Dritten wies das Betriebsjahr 1944 einen Verlust von 40'109.18 Franken aus.

1945, Ende des Krieges – Silberstreifen am Horizont

Anfang 1945 versank Europa in einem unbeschreiblichen Chaos, mit Hunderttausenden von Flüchtlingen und Toten. Bezüglich des Luftverkehrs war die Swissair noch mit dem Kampf ums Überleben beschäftigt. Man leckte die Wunden, verursacht durch diesen schrecklichen Krieg, doch dann setzte zügig eine Nachkriegsplanung ein. Die Swissair hat den Zweiten Weltkrieg überlebt und sogar einigermassen unbeschadet hinter sich gebracht. Ohne die sehr wohlwollende Unterstützung durch den Bund wäre dies nicht möglich gewesen.

Alfred Muser arbeitete von 1951 bis 1981 als Pilot und Flugkapitän (zuletzt auf der Fokker 100) bei der Swissair. Neben seinen beruflichen Einsätzen erhielt er 1966 den Auftrag, die Swissair-interne Zeitschrift redaktionell zu betreuen. Unser Mitarbeiter Rolf Müller, in Wallisellen zwischen dem Flughafen Kloten und dem Militärflugplatz Dübendorf, aufgewachsen, interessierte sich schon während seiner Jugendzeit stark für die Luftfahrt, auch initiiert durch seinen Vater, der kurz nach dem Kriege für ein Baukonsortium arbeitete, das den Flughafen Kloten erstellte.
(Im Internet ist das Buch «Die Swissair 1939-1945» durch diverse Anbieter erhältlich)