Zur Hundertjahrfeier seiner Heimatstadt Melbourne hatte der vermögende Fabrikant und angesehene Bürger MacPherson-Robertson die Idee, einen hochdotierten Wettflug von England nach Australien auszuschreiben. Insgesamt waren für die Sieger des Rennens 15000 Pfund Sterling als Preisgelder vorgesehen – eine für die damalige Zeit ganz erhebliche Summe Geldes. Alle Meldungen mussten bis zum Juni 1934 beim Royal Aero Club/ London Picadilly vorliegen. Jedermann – gleich welcher Nation – war die die Teilnahme freigestellt. Es gab keinerlei Auflagen hinsichtlich Grösse, Motorisierung und Besatzung des Flugzeuges – ausser, dass nach dem Start in England kein weiterer Pilot mehr zusteigen durfte. Der Start sollte am 20. Oktober vom Flugplatz Mildenhall erfolgen, wobei der bisherige Rekord für die zu befliegende 11650 Meilen Strecke bei sechs Tagen und siebzehn Stunden lag.     

Comet basiert auf patriotischem Anflug

Kontinentverbindende Wettflüge waren in den Zwanziger und Dreissiger Jahren ausserordentlich populär und so kam es, dass sich bis zum Annahmeschluss nicht weniger als 64 Teilnehmer meldeten – darunter Wolf Hirth aus Deutschland. Allgemein wurden die mit amerikanischen Maschinen fliegenden Piloten als die sicheren Gewinner angesehen. Genau diese Vermutung rief die traditionsreiche De Havilland Company auf den Plan, die in einem Anflug von Patriotismus befand, dass die Siegermaschine britischer Produktion entstammen müsse, auch wenn der Hersteller bei diesem Unterfangen einen finanziellen Verlust einfahren sollte.

Schon wenige Monate nach Bekanntgabe des Rennens im März 1933 verpflichtete sich De Havilland, ein über 200 mph schnelles Rennflugzeug zu bauen, sofern sich bis spätestens Februar 1934 Käufer für die 5000 Pfund teure Maschine finden liessen. Es zeigte sich schon bald, dass die De Havilland Co. mit ihrem Patriotismus nicht alleine dastand. Vom Zeichenbrett weg bestellten A.O.Edwards, Direktor des Grosvenor House Hotels in London, das Fliegerehepaar Mollison sowie der Rennfahrer Bernard Rubin drei Exemplare des «MacRobertson-Racers».

Als 1935 noch zwei weitere Comets geordert wurden, hatte der Hersteller beinahe Kostendeckung erreicht. Zunächst aber galt es, das Rennflugzeug in der unglaublichen Zeit von neun Monaten zu planen, zu bauen, zu erproben und - mit einem Lufttüchtigkeitszeugnis versehen – an die Kunden auszuliefern. Das gewagte Unternehmen wurde in aller Welt lebhaft diskutiert und besonders von der starken amerikanischen Konkurrenz (24 Teilnehmer) für schlicht unmöglich gehalten.

De Havilland hält Wort

Zu Beginn der Dreissiger  Jahre war die De Havilland Company noch vollauf mit der Massenherstellung von stoffbespannten Doppeldeckern wie der Tiger Moth und der Dragon Rapide beschäftigt. Man besass kaum Erfahrung mit dem Bau von metallbeplankten Flugzeugen. Es erstaunt folglich nicht, dass die Comet wiederum in Holzbauweise entstand – will man einmal von der Motorverkleidung und Motoraufhängung absehen. Dennoch gilt die Entwicklung der D.H. 88 gemessen an den bisherigen Produkten des Herstellers als technischer Quantensprung, ging es doch darum, sich widersprechende Forderungen wie Kurzstarteigenschaften, hohe Geschwindigkeit und grosse Reichweite auf möglichst geschickte Weise in Einklang zu bringen. De Havilland gelangte hierbei zu ebenso pragmatischen wie praktikablen Lösungen.

Die Wahl eines geeigneten Triebwerks machte noch die wenigsten Probleme, da es als es als Gipsy Six den hauseigenen Regalen entnommen werden konnte. Der schlanke Sechszylinder-Reihenmotor zeichnete sich durch eine geringe Stirnfläche aus und hatte sich bereits als Antrieb des D.H. 86 Express Airliners sowie der D.H. 89 Dragon Rapide bewährt. In der Rennversion «R»  gab er beim Start eine Leistung von 230 PS ab und bewies auch bei strapaziösem Langstreckeneinsatz ein ausgezeichnetes Stehvermögen.

Technisches Neuland

Ein schwieriges Unterfangen stellte die einwandfreie Funktion des bislang bei De Havilland-Flugzeugen nicht verwendete Einziehfahrwerk dar. Schon aus Zeitgründen konnte sich der Hersteller kein technisches Raffinement leisten. Der Co-Pilot erhielt folglich die Aufgabe, die beiden Hauptfahrwerksbeine über Handkurbel und Kettenantrieb ein- und auszufahren.

Zur weiteren Verringerung der Stirnfläche war das zweisitzige, sehr enge Cockpit in Tandemform ausgelegt. Davor befanden sich drei grosse Treibstofftanks, die bei einer Reisegeschwindigkeit von 220 mph eine Reichweite von fast 3000 Meilen ermöglichten. Die Tragflächen eigneten sich wegen geringer Profildicke nicht zur Aufnahme von Treibstoff. Zur Erzielung einer akzeptablen Anfluggeschwindigkeit war das Flugzeug mit Spreizklappen ausgestattet, bei deren Entwicklung De Havilland wiederum technisches Neuland betrat.

Das Rennen – von London nach Melbourne

Nach einer nebeligen, nasskalten Woche zeigt sich das Wetter am 24. Oktober 1934 von seiner besseren Seite. Pünktlich zum Start des London/Melbourne-Rennens kommt die Sonne hervor – sehr zur Freude der Teilnehmer und der mehr als 70'000 Zuschauer. Als die Maschinen aus den Hangars auf die Graspiste des Flugplatzes Mildenhall gerollt werden, gelingt es der begeisterten Menschenmenge beinahe, die Absperrungen zu durchbrechen. Der Bürgermeister von London sieht sich daraufhin veranlasst, die Flugzeuge «im Eilverfahren» wegzuflaggen.

Zunächst liegen Jim Mollison und Amy Johnson-Mollison in Führung. Am Abend des ersten Renntages erreichen sie mit ihrer «Black Magic» Bagdad. Die von Bernhard Rubin angeheuerten Piloten Owen Cathcart-Jones und K.F. Waller verfliegen sich und müssen in der persischen Wüste notlanden. Es gelingt ihnen jedoch, Amy und Jim Mollison in Islamabad einzuholen, die dort mit irreparablem Motorschaden liegengeblieben sind. Zu dieser Zeit haben Charles William Anderson Scott und Tom Campbell Black, die Besatzung des «Grosvenor House» bereits Singapur hinter sich gelassen. Es gelingt diesen Piloten schliesslich den hartnäckigsten Verfolger, eine DC-2 der KLM, abzuhängen und nach genau 70 Stunden, 45 Minuten und achtzehn Sekunden als Erste in Melbourne zu landen.

Bei aller Freude über den gerade errungenen Sieg verschloss sich De Havilland nicht der Erkenntnis, dass es eines Rennflugzeuges bedurft hatte, um ein serienmässig hergestelltes, amerikanisches Verkehrsflugzeug auf die Plätze zu verdrängen. Während Langstrecken in England noch mit Stoff bespannten Doppeldeckern wie der Handley Page H.P. 42 bedient wurden, hatte in den USA mit dem Erscheinen der Metall beplankten, schnellen Lockheed Elektra, Boeing 247 und DC-2 längst ein neues Zeitalter der Verkehrsfliegerei begonnen. Die britischen Flugzeughersteller mussten sich beeilen, wollten sie nicht vollends in technische Abseits geraten. Bereits 1936 stellte De Havilland den Entwurf D.H. 91 «Flamingo» vor, ein 22-plätziges, 225 mph–schnelles Langstreckenverkehrsflugzeug, in das viele mit dem Comet Racer gewonnene Erfahrungen und Erkenntnisse eingebracht wurden.

Technische Daten De Havilland D.H. 88 Comet
Typ: zweisitziges Renn-/Postflugzeug
Triebwerke: zwei De Havilland Gipsy Six R Reihenmotoren von je 230 WPS
Leistung: Höchstgeschwindigkeit 381 km/h , Reise 345 km/h
Gewicht: Leermasse 1288 kg ; max. Startmasse 2413 kg
Abmessungen:Spannweite 13,41 m ; Länge 8,84 m ; Höhe 3,05 m, Tragflügelfläche 19,69 m²