Am 25. April 1945 herrschte auf dem Flugplatz Dübendorf Alarmstimmung, als um 08.46 Uhr das erste  Düsen-Jagdflugzeug, eine Messerschmitt Me 262 A-1a «Schwalbe»,  auf Schweizer Boden landete. Der Pilot Hans Guido Mutke, ein auf die Me 262 umgeschulter Oberfähnrich, war in Fürstenfeldbruck gestartet und sollte den Jet zu seiner Einheit (Jagdgeschwader 7) nach Prag überführen. Mutke entschied sich aber anders, er wollte mit der Messerschmitt in Südbayern notlanden. Er verlor die Orientierung und musste wegen Treibstoffmangel (80 Liter Restmenge) in Dübendorf landen. Dies war seine Story, die er bis zu seinem Lebensende verbreitete.  

Fahnenflucht als Motiv

Wie Redaktionskollege Hans-Heiri Stapfer in der Cockpit-Ausgabe Nr.4  vom April 2012 detailliert berichtete, gab der Pilot Mutke gemäss  aufgefundenen Geheimprotokollen zu, mit voller Absicht in Dübendorf gelandet zu sein. Ein Glücksfall für die Schweiz, denn das erste in unser Land eingeflogene Jagdflugzeug mit Düsenantrieb bildete nach der Landung ein dankbares Objekt für eingehende Untersuchungen. Mutkes eigene Ausrüstung bestand aus einer elektrisch beheizbaren Lederkombination und einem Sitzfallschirm mit Höhenatmer.

Das ausgezeichnet gewartete Flugzeug war oberseitig matt moosgrün mit olivgrünen Flecken getarnt, die Unterseiten waren weissgrau gehalten. Unter dem Rumpf  befanden sich Anschlüsse für  Bombenabwürfe und Schubraketen, die Bugwaffen waren mit 287 Schuss magaziniert. Unter den Tragflächen waren ferner Abschussroste für 12 Bordraketen «Orkan» befestigt, jedoch waren keine Waffen eingehängt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg behauptete Hans Guido Mutke, am 9. April 1945 mit seiner Me 262 über Innsbruck die Schallmauer durchbrochen zu haben. Diese Darstellung wurde  mehrmals wiederlegt, denn das Flugzeug war dazu aerodynamisch gar nicht imstande.

Nachbau landete in Dübendorf  69 Jahre danach

Auf dem Militärflugplatz Dübendorf landete am 8. September 2014 auf der Piste 29 ein Nachbau der  Messerschmitt Me 262. Im Cockpit sass Eurofighter-Testpilot Geri Krähenbühl, der von der AIR 14 aus Payerne unterwegs war. Die Zwischenlandung in Dübendorf war notwendig, da die Tankfüllung von 1759 Liter für den Direktflug Payerne nach Manching bei München nicht gereicht hätte. Beim  Bogenhangar rollte der zweistrahlige Jet für das Fotoshooting aus, um dann die endgültige Parkposition vor der Halle 1 zu erreichen, wie Hans  Guido Mutke vor 69 Jahren.

Vom Eurofighter Typhoon zur Messerschmitt 262

«Ja, das war ein heisser Flug», scherzte Gery Krähenbühl, als er aus dem Cockpit stieg. Normalerweise fliegt er eines der modernsten Kampfflugzeuge der Welt – mit Spitzentechnologie an Bord und doppelter Schallgeschwindigkeit. Die Messerschmitt sei ein wunderbares Flugzeug, schwärmte er. Der in den 1940er-Jahren entwickelte Jet sei das erste einsatzfähige Düsenflugzeug der Welt gewesen, es habe die Luftfahrt verändert, erklärte Krähenbühl. Mit seinem Axialkompressor sei die «Schwalbe» der Zeit voraus gewesen, auch wenn die Junkers Jumo 004 B Strahltriebwerke mit einer Lebensdauer von lediglich 10 bis 25 Stunden sehr störungsanfällig gewesen seien. Der Nachbau ist mit den bewährten GE J85/CJ610 Triebwerken, wie die F-5 Tiger Flotte, ausgerüstet.

Der Traum jedes Testpiloten

Gery Krähenbühl ist als Projektpilot dafür zuständig, die Me 262 «airborne» zu halten. 2010 stiess er zum Team, als einer der älteren Piloten den Knüppel an einen jüngeren Kollegen weiterreichen wollte. Das sei der Traum jedes Testpiloten, nach einem längeren Briefing ein komplett anderes Flugzeug zu pilotieren. Der Kontrast zu seinem Hauptberuf als Eurofighter-Testpilot könne nicht grösser sein, erklärte Krähenbühl. Man taste sich schrittweise vor: Fahrwerk einziehen, Geschwindigkeit erhöhen, verschiedene Flugmanöver  ausführen, um ein Gefühl für den Jet zu bekommen. Abgesehen vom unglaublichen Lärm im Cockpit sei die Flugsteuerung der grösste Unterschied,  zwischen der Me 262  und der fly-by-wire Auslegung des Eurofighter lägen Welten. Dort verhinderten Computer eine Überlastung, in der Messerschmitt  müsse der Pilot eingreifen – lauschen. Das Flugzeug spreche buchstäblich mit ihm, man könne hören, ob es der Me 262 zu viel werde, ergänzte  Testpilot Krähenbühl.

Nur zehn Originalmaschinen der Deutschen Luftwaffe haben den Krieg überlebt (1433 wurden insgesamt gebaut), aber keine in flugfähigem Zustand. Krähenbühls Me 262, die mit Unterstützung der Messerschmitt Stiftung als Nachbau in den USA entstanden ist, begeistert seit Jahren die Aviatkifans. Zu ihrer Zeit erreichte die Me 262 1000 km/h, die Maschine von Krähenbühl lediglich 600 km/h.