Bereits das Angurten macht klar, dass dies kein normaler Flug wird. Der Passagier wird mit einem Fünfpunktgurt nicht nur angeschnallt, sondern regelrecht im Sitz festgezurrt. Ausserdem bekommt er gezeigt, wie im Notfall – und wirklich nur im Notfall – der Auslösegriff für den Schleudersitz zu betätigen ist. Selbst abgebrühte Gesellen werden spätestens jetzt ziemlich ruhig. Denn der Hawker Hunter T.Mk.68 mag zwar bereits ein Oldie sein, aber ein verdammt schneller. 600 Knoten erreicht der Zweisitzer maximal. Früher sollen einige Hunterpiloten angeblich die Mach-1-Grenze aus grosser Höhe im steilen Sinkflug auch schon mal überschritten haben.

Lebenstraum «Passagierflug mit einem Jet»

Das wird heute nicht geschehen. Denn die Geschwindigkeit im Schweizer Luftraum bis 10000 Meter Fuss bei diesem VFR-Flug ist auf 250 Knoten limitiert. Alles ist dennoch aufregend genug bei diesem Flug über die heimische Bergwelt. Es ist der erste Nach-Corona-Flug der Hawker Hunter im Jahr 2020. Eigentlich sollte er bereits im Mai stattfinden, aber das Virus machte den Termin zunichte. Start ist in Altenrhein, aber auch ab dem Militärflugplatz Emmen sind Mitflüge an etwa zwei- bis vier Terminen im Jahr möglich. Im Cockpit sitzt Paul «Chappe» Ruppeiner. Er fliegt den Hunter seit den 1970ern, also mehrere Jahrzehnte.

Für die meisten ist es ein lang gehegter Kindheits- oder Lebenstraum, einmal so einen Jet-Mitflug zu erleben. Und dazu ist man nie zu alt. Der älteste Mitflieger war über 90 Jahre. Mindestens 18 Jahre muss ein Passagier aber sein, Kinder und Jugendliche dürfen nicht mitfliegen. Viele Interessenten, so erzählt Ruppeiner, sparen mehrere Jahre für den Mitflug. Angesichts von Kosten ab 6200 Franken für einen 20minütigen Flug bis 8200 Franken für 40 Minuten ist das nachvollziehbar. Manch einer muss sogar noch mehr Opfer bringen als nur zu sparen. Denn es gibt ein Gewichtslimit im Cockpit. Höchstens 100 Kilo darf der Passagier oder die Passagierin wiegen. Das hat nichts mit Diskriminierung zu tun. Aber der Schleudersitz ist nur auf dieses maximale Limit ausgelegt. Ein deutlich zu gewichtiger Mitflug-Interessent speckte eigens für den lange gehegten Fliegertraum über zwei Jahre hinweg ab, bis er stolz seinen Flug buchen konnte: Er hatte sich auf 96 Kilo gebracht.

85 Prozent der Passagiere sind Männer, immerhin 15 Prozent Frauen, die Beschleunigung und Speed eines Ex-Militärjets erleben wollen. Anders als in modernen Jagdflugzeugen sitzen im Hunter die beiden Mitglieder der Crew nicht hinter-, sondern nebeneinander. So bekommt der Passagier genau mit, was sein Pilot gerade macht, und dieser kann ihn auf interessante Merkmale am Boden per Fingerzeig hinweisen.

Zivile Karriere nach der militärischen Dienstzeit

Immerhin 160 Ein- und Doppelsitzer Hunter taten einst in der Schweiz ihren Dienst. Bereits im April 1958 flog der erste Hunter bei der Schweizer Flugwaffe, zunächst als Jäger, später auch als Erdkampfflugzeug. Erstaunliche 36 Jahre lang dienten Hunter beim Schweizer Militär. Erst 1994 wurden die letzten Exemplare ausgemustert. Einige dieser demilitarisierten Maschinen gingen an Fliegerclubs, Privatpersonen oder Museen.

Damit war die Karriere des Hunter aber noch lange nicht beendet. Denn ehemalige Militärpiloten und Mechaniker schlossen sich zu Vereinen oder Interessengruppen in der ganzen Schweiz zusammen, um möglichst viele dieser Maschinen zivil immatrikuliert weiter am Himmel betreiben zu können.

Die exotische gelb-schwarze Lackierung hat der Hunter mit dem Kennzeichen HB-RVV erst seit 2009. Das Design ist einer Reminiszenz eines Hunters der Schweizer Luftwaffe zu verdanken. Dieser war bereits in den 1970er Jahren kurz mit der auffälligen «Tiger»-Lackierung – dem Emblem der Fliegerstaffel 11 – versehen. Unerlaubterweise.

Abschied vom HB-RVV

Der «Tiger»-Hunter HB-RVV des Fliegermuseums Altenrhein wird morgen, 23. Oktober, zu seinem letzten Flug starten. Der Start ist für ca. 14.45 Uhr geplant und die Landung um 15.45 vorgesehen. Das Flughafenvorfeld des FMA ist am 23. Oktober wegen des Flugbetriebs für die Öffentlichkeit zwischen 10 und 18 geschlossen (Zugang nur mit Bewilligung). Der «Tiger»-Hunter wird gemäss FMA später in der deren Halle ausgestellt.

 

Noch flugfähige Hunter in der Schweiz
Weiterhin im Flugbetrieb und stationiert in Sion ist der Doppelsitzer der «Amici Dell Hunter» HB-RVR. Ebenso flug- und betriebsbereit ist der Hunter Einsitzer «Papyrus» HB-RVS des Huntervereins Obersimmental in St. Stephan. Dessen Triebwerk ist soeben vollständig überholt worden. Noch flugtauglich ist der Hunter-Doppelsitzer im Museum Clin d’Ailes in Payerne.