Starre Zeitvorgaben lassen die Brasilianer zunächst kalt. Das Ziel von Embraer ist es jedoch, bis 2040 klimaneutrale Flugzeuge starten zu lassen. Dazu bedarf es vorab klarer Definitionen und Vorarbeiten, die mit dem einmotorigen Tiefdecker Ipanema und brasilianischen Antriebskomponenten mit dem diesjährigen Erstflug begonnen haben.

Breite Palette an Antriebsmöglichkeiten

Das Konzeptprogramm sieht unterschiedliche Energieträger vor: vom Hybridflugzeug über vollelektrische Flugzeuge bis hin zu reinem Sustainable Aviation Fuel (SAF) oder mit Wasserstoff betriebene Flugzeuge. Kurios wirkt dabei ein Entwurf eines 9-Sitzers, der dem 4-Sitzer Smartflyer aus Grenchen stark ähnelt.

Die Palette der Antriebsmöglichkeit ist sehr breit gefächert. Ideal wäre zum Beispiel ein reiner Elektroantrieb, an dem auch zurzeit vordergründig weltweit entwickelt wird. Parallel laufen Weiterentwicklungen mit energiereichen Lithium-Zellen, wobei sich der Fokus auf Festkörperzellen mit bis zu 900 Wh/kg richtet, haben doch heutige Zellen nur maximal 270 Wh/kg zu bieten.

Grosse Hoffnungen setzen die Embraer-Ingenieure auf Brennstoffzellen, die mit Wasserstoff «gefüttert» werden. In Zwischenphasen dürften auch SAF-Kraftstoffe für normale Strahlturbinen Verwendung finden. Doch wenn es um Direkteinspritzung von Wasserstoff geht, muss selbst Embraer wohl auf die Ergebnisse der grossen Triebwerkhersteller warten, die in jüngster Zeit schon daran forschen, deren Ergebnisse aber noch nicht absehbar sind.

Energia Electric

So werden denn die Südamerikaner auch zuerst mit dem Embraer Energia Hybrid mit einer Gasturbine fliegen. Das wird frühestens in 9 Jahren der Fall sein; doch vorher möchte man alle bereits bestehende Konstruktionen auf volle SAF-Kompatibilität zertifiziert haben. Schon 2025 soll ein Demonstrator mit Brennstoffzellen in die Luft gehen und 2026 soll Embraers eVTOL bereits seinen Regelbetrieb aufnehmen. Energia Hybrid könnte mit zwei Elektromotoren am Heck mit einem Gasgenerator bei der Verwendung von Jet 1A etwa 50 % Co2 einsparen. Bei der Verwendung von grünem SAF wären es sogar 90 Prozent weniger.

Richtig ernst könnte es um das Jahr 2035 werden, wenn der Energia Electric bzw. der E9-FE dem bis dahin hoffentlich längst im Serieneinsatz befindlichen Smartflyer aus der Schweiz folgt. Der E9-FE Kurzstreckenliner mit nur einem Antrieb im Leitwerk soll bis zu 9 Passagiere befördern und das dann rein elektrisch, was bedeutet, dass dieses für 2035 geplante Flugzeug ohne jeglichen CO2-Ausstoss wie ein heutiger Velis fliegen würde.

Energia H2

Energia H2 Fuel Cell ist schliesslich das, was heute schon viele Hersteller im Blick haben. Energia H2 soll ein typischer 19-Sitzer werden, der ebenso wie der kleinere 9-Sitzer eine Reichweite von 200 Meilen bieten soll. Mit einer Reichweite von 350 nm bis 500 nm möchte man mit Energia H2 Gas Turbine schliesslich bis zu 50 Passagiere ohne jegliche Emissionen befördern können. 2040 könnte es soweit sein! Auch Energia H2 Gas Turbine wird vollkommen CO2-frei fliegen. Embraer lässt offen, womit die Gasturbine das System betreiben wird, ob mit grünem SAF oder mit direkt mit Wasserstoff.

Bis Ende der 2050er-Jahre könnte die Entwicklung mit Wasserstoff-Direktbetrieb produktionsreif sein. Dann wird man möglicherweise einen heutigen Airliner, wie eine Boeing 737 oder einen Airbus A220 bzw. A320 rein visuell von einem Flugzeug mit reinem Direktwasserstoff-Antrieb nicht mehr unterscheiden können, weil auch die grösseren Maschinen mit ihren Fantriebwerken und einem entsprechenden Bypass ebenso wie die heutigen fliegen werden. «Dies ist eine der aufregendsten Zeiten in Bezug auf die Technik», sagte einer der Ingenieure von Embraer bei der Präsentation der Energia-Flugzeugfamilie.

Grosser Wandel steht bevor

Luis Carlos Affonso, Senior VP of Engineering, Technology and Corporate Strategy von Embraer, erläuterte die Gründe für die Energia-Familie: «Wir sehen unsere Rolle als Entwickler neuartiger Technologien, die der Branche helfen, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Es gibt keine einfache oder einzige Lösung, um netto Null zu erreichen. Wir arbeiten gerade daran, die ersten Flugzeugkonzepte zu verfeinern, die früher oder später mit der Reduzierung der Emissionen beginnen können. Kleine Flugzeuge sind ideal, um neue Antriebstechnologien zu testen, damit sie auf grössere Flugzeuge skaliert werden können. Deshalb ist unsere Energia-Familie eine so wichtige Plattform.»

Arjan Meijer, Präsident und CEO von Embraer Commercial Aviation, kommentierte die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens: «Wir werden einen grossen Wandel in unserer Branche hin zu einer nachhaltigeren Luftfahrt erleben. Mit 50 Jahren Erfahrung in der Entwicklung, Zertifizierung und Unterstützung von Regionalflugzeugen ist Embraer in einer einzigartigen Position, um die Einführung neuer grüner Technologien tragfähig zu machen.»