Bis in einem Jahr sollen drei Testflugzeuge des neuen Saab Gripen E einsatzbereit sein. Davon sind momentan zwei in Produktion, eines fliegt bereits. Die drei Maschinen unterscheiden sich in der Ausrüstung bezüglich Avionik und Radar, um verschiedenste Parameter testen zu können. Mindestens zwei Flugzeuge müssen zu diesem Zweck gleichzeitig in Betrieb sein. ­Daher werden momentan zusätzliche umgebaute Gripen C und D zu Testzwecken genutzt. Viele der Flugtests werden heute ­allerdings nicht mehr real, sondern per Computersimulationen und modellbasierten Berechnungen (MBD-model based design) durchgeführt. Das spart Flugminuten und damit auch viel Geld.

Saab hat bewusst auf den Bau eines Stealth-Flugzeugs der fünften Generation verzichtet, da der Einstieg in den Bau sehr teuer ist und diese komplexe Technologie zu vielen Verzögerungen und Kostenüberschreitungen führen kann, wie dies etwa beim amerikanischen Lockheed-Martin F-35 oder dem russischen Sukhoi Su-57 der Fall ist. Der Gripen E ist mit dem stärkeren General Electrics F414-GE-39E-Triebwerk mit 98 kN ausgerüstet, hat zehn Aufhängepunkte für verschiedenste Lenkwaffen, Elektronikpods oder Zusatztanks (zwei mehr als beim Gripen C) und verfügt über zusätzliche Sensoren. Äusserlich ist die Maschine an dem nach aussen unter die ­Flügel montierten Hauptfahrwerk und dem einzelnen Bugrad gut zu erkennen. Diese Massnahmen wurden erforderlich, um Platz für mehr Treibstoff und weitere Aufhängepunkte zu schaffen und um das Gewicht zu reduzieren. Dazu kommen viele neue Sensoren, die an den Flügelenden, der Flügelwurzel und dem Seitenleitwerk deutliche Unterschiede zum Gripen C/D erkennen lassen.

Neue Radartechnologie

Mit seinem neuen AESA-Radar (Active Electronically Scanned Array, eine Reihe mehrerer kleiner Antennen) ist das Flugzeug in der Lage, verschiedene Ziele gleichzeitig zu erfassen. Das Datalinksystem ermöglicht das Senden und Empfangen von Informationen zwischen Flugzeugen, ­Satelliten, Schiffen und Bodeneinrichtungen. Die empfangenen Informationen wie Standort, ­Treibstoffstatus und Bewaffnung eines Jets können mit andern Kampfflugzeugen geteilt werden. Der Gripen ist wegen seiner fehlenden Stealth-­Eigenschaften darauf angewiesen, dass er durch seine Sensoren über eine hohe Überlebensfähigkeit in feindlicher Umgebung verfügt. Daher gibt es sowohl RWR (Radar Warning Receiver) als auch MAW (Missile Approach Warning)-Systeme.

Ein IRST-Sensor auf der Flugzeugnase (Infrarot Search and Track) kann sowohl aktiv als auch passiv nach Wärmequellen wie Flugzeugen und Lenkwaffen in der Umgebung Ausschau halten. Dabei ist im Passivmodus das Flugzeug für den Gegner unsichtbar. Dies ist ein gängiges System, welches in allen modernen Kampfflugzeugen eingesetzt wird (Rafale, Eurofighter). Nur das Infrarotsystem des F-35 geht einen Schritt weiter und scannt als einziges kontinuierlich 360° ab. Das verbesserte, für die elektronische Kampfführung verwendete Arexis EW-System ist am Gripen E in Form von Sensoren an Flügelenden und Seitenleitwerk verbaut. Der Gripen kann somit in der Reichweite des Gegners operieren, weil er mit seinen ECM-Sensoren und passiven Radarsystemen kaum zu erkennen ist, den Gegner aber bereits anvisieren kann. Bei den Aufhängepunkten für Aussenlasten hat der Gripen E einen deutlichen Schritt nach vorn gemacht. So können praktisch alle auf dem Markt erhältlichen Lenkwaffen und Aufklärungspods angehängt werden. Die fortschrittliche Avionik erlaubt die Integration eines neuen Systems in kurzer Zeit. 

Erster Kunde ist Brasilien

Nebst der einsitzigen E-Version werden auf Wunsch des Erstkunden Brasilien auch Doppelsitzer mit der Bezeichnung Gripen F gebaut. Schweden wird für seine Luftwaffe nur Einsitzer kaufen. Wie bei allen neuen Flugzeugen hat der Erstkunde grossen Einfluss auf den Bau. So werden von den 36 bestellten brasilianischen Gripen (28 E und 8 F) deren 15 vor Ort im neu aufgebauten Werk von Gaviao Peixoto produziert. Das bedeutet vorgängig auch die Ausbildung von 350 brasilianischen Technikern/Ingenieuren in Schweden. Die Zusammenarbeit mit Embraer hat dazu geführt, dass auf Wunsch der Brasilianer ein riesiger Glasbildschirm im Cockpit des Gripen E verbaut wird. Dieses System wird zukünftigen Exportkunden ebenfalls zur Verfügung stehen. Zwischen 2019 und 2026 sollen die Gripen E/F für Brasilien ausgeliefert werden; parallel beginnt auch die Auslieferung der 60 Gripen E an die schwedische Luftwaffe.

«Bestellung der Schweiz würde zeitlich perfekt passen»

«Ab 2025 haben wir grosse Kapazitäten für die Auslieferung an andere Kunden», betont Rustan Nicander, Chef von Saab Schweiz und Südeuropa. Daher würde eine Bestellung der Schweiz zeitlich perfekt passen.» Für Nicander ist die Zusammenarbeit mit der Schweiz sehr wichtig. «Rund 100 Zulieferfirmen von Saab befinden sich bereits in der Schweiz. Somit ist dieses Land für uns ein nicht wegzudenkender Geschäftspartner. So werden beispielsweise die Aussenlastträger für alle Gripen E bei Ruag in Emmen gebaut.»  Der Gripen E ist bei mehreren Ländern im Gespräch. Einer der wichtigsten potenziellen Kunden könnte Indien sein. Es wird mit einer Bestellung von rund 200 neuen Kampfjets gerechnet. Grosser Konkurrent zum Gripen ist dort die Lockheed-Martin F-16 Block70.

Saab ist mit weiteren zukünftigen Kunden im Gespräch, so etwa mit Bulgarien, der Slowakei und Kolumbien. Auch Österreich könnte ein Kandidat sein. Um auf dem grossen Markt für Luftkampftraining in Grossbritannien und den USA mitmischen zu können, hat Saab Ende 2017 einen speziell modifizierten Aggressor-Gripen vorgestellt. Das Ziel von Saab ist es, weltweit 400 Gripen E zu verkaufen. Um dies zu erreichen, versucht der Hersteller, die ständig ansteigende Kostenspirale bei modernen Kampfjets zu brechen; für Länder mit niedrigem Budget oder für die Bestückung kleiner Flotten eine interessante Option. Interessant wird die Evaluation für ein neues Kampfflugzeug in Finnland sein. Auch dort steht der Gripen E zur Diskussion, und auch dort wird ein Nachfolger für die F/A-18 Hornet gesucht.

Technische Daten
 

Name

Saab Gripen E

Hersteller

Saab, Linköping, Schweden

Besatzung

1 oder 2 (Gripen F)

Triebwerk

1 x GE Aviation F414-GE39E

Schub

98 kN mit Nachbrenner

Länge

15,20 m

Spannweite

8,60 m

Höhe

4,50 m

Max. Geschw.

Mach 2, 1400 km/h in NN

Dienstgipfelhöhe

16 000 m

Einsatzleermasse

8000 kg

Max. Zuladung

7200 kg

Max. Startmasse

16 500 kg

Startstrecke

mindestens 500 m

Landestrecke

ca. 600 m

Reichweite mit Zusatztank

4000 km

Lastvielfache

-3 g /+9 g

Bewaffnung

Interne Kanone 27 mm Mauser. 10 Aussenlaststationen für bis zu 6 IRIS-T, bis 7 AMRAAM oder Meteor, Bomben, Aufklärungsbehälter, Spezialflugkörper etc.

Drei Fragen an den Testpiloten
Der 37-jährige Marcus Wandt (siehe Bild) ist Testpilot bei Saab und flog als erster den Gripen E. Zusätzlich ist er immer noch Kampfpilot bei der 211. Sqdn in Lulea. Während der Operation Unified Protector 2011 flog er mit seiner Staffel Aufklärungseinsätze über Libyen.

«Cockpit»: Was macht den Gripen E besser im Vergleich zu seinem Vorgänger?
Marcus Wandt: Das Flugzeug hat deutlich mehr Aufhängepunkte und damit Nutzlast, ein viel stärkeres Triebwerk, ein leistungsfähiges AESA-Radar und eine komplett neue Avionik. Die neu verbauten Computer mit Mehrkernprozessoren erlauben eine nie vorher dagewesene Rechenleistung. Die Avionik ist unglaublich stabil; während aller ­Testflüge musste kein einziger Neustart durchgeführt werden.
Warum wäre dies das ideale Kampfflugzeug für ein Land wie die Schweiz?
Das Flugzeug ist kostengünstiger als viele andere Konkurrenten, lässt sich während des Flugs innert kürzester Zeit auf eine neue Mission umstellen und die Avionik unterbreitet dem Piloten Vorschläge für ­einen optimalen Einsatz. Operationen ab kleinen Flugplätzen, Aussenplätzen in Waldlichtungen oder Autobahnen sind in Schweden an der Tagesordnung. Waren die früheren Gripen sehr nervös beim Rollen, konnte dieses Problem beim Gripen E gelöst werden. Innert zehn Minuten ist ein Jet am Boden von nur fünf Personen betankt und neu bewaffnet; ein Triebwerkwechsel ist innerhalb einer Stunde vollzogen.
Was hat der Gripen E, was andere nicht haben?
Ich habe 2013 die USNTPS (US Navy Test Pilot School) absolviert und konnte daher schon viele verschiedene Flugzeugmuster fliegen. Kein anderer Jet nimmt dem Piloten mit seiner hochmodernen Avionik so viele Arbeiten ab und errechnet Vorschläge. Die Systeme sind sehr schnell im Identifizieren eines Feindes und dem Anpassen an die ­jeweilige Situation. Das riesige Cockpitdisplay lässt sich jederzeit nach eigenen Wünschen verändern und auf eine neue Mission anpassen. Der Gripen E ist im Vergleich zu andern Kampfflugzeugen ein wirklich neuer und smarter Fighter. Interview: Simon Vogt 

«Cockpit» berichtet im Rahmen einer Beitragsserie zum Neuen Kampfflugzeug (NKF) über den Beschaffungsablauf und stellt in loser Folge die in Frage kommenden Flugzeugtypen vor. Den Anfang macht der Saab Gripen E.