Die Luftverteidigung der Schweiz soll erneuert werden. Dies hat der Bundesrat am 8. November letzten Jahres entschieden. Er hat das VBS ermächtigt, die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge und eines neuen Systems zur bodengestützten Luftverteidigung im Umfang von maximal acht Milliarden Franken zu planen. Mit dem Beschaffungsprojekt beauftragt ist die Armasuisse, welche 2018 den 50. Geburtstag feiert. Als Nachfolgeorganisation der kriegstechnischen Abteilung der Armee wurde die Gruppe für Rüstungsdienste (GRD) im Jahr 1968 gegründet. Sie ist heute das Kompetenzzentrum für Beschaffung, Technologie und Immobilien des VBS. Der Beschaffungs-Kompetenzbereich Luftfahrtsysteme der Armasuisse ist unter anderem verantwortlich für das Flugmaterial der Schweizer Luftwaffe und begleitet deren Projekte in allen Phasen des Rüstungsablaufs. Rüstungschef Martin Sonderegger legte anlässlich eines Referats in Bern dar, wie die Abläufe von Beschaffungsprojekten organisiert sind. «Die Armasuisse erbringt Dienstleistungen zugunsten ihrer Auftraggeber. Hauptauftraggeber ist natürlich die Armee; sie ist die Raison d’être für die Armasuisse», führte Sonderegger aus. «Unser Kapital sind die rund 800 Mitarbeitenden und deren Wissen, welches in unsere tägliche Arbeit und in die Prozesse einfliesst.»

Die Vorhabensplanung

Der Beschaffungsablauf beschreibt den standardisierten Prozess von der Vorhabensplanung über die Evaluation, Beschaffung, Einführung bis zur Nutzung und Ausserdienststellung von Armeematerial und systemen. «Es tönt komplizierter als es ist», sagt Sonderegger und stellt einen Vergleich an mit der Beschaffung eines neuen Fahrzeugs, so wie es sich in einem Haushalt abspielen kann und bei der an sich dieselben Prozesse angewendet werden: Einer Bedürfnisanalyse folgen die Anforderungen an das Produkt und eine Kostenplanung. Indes: Bei Rüstungsvorhaben wie etwa der Kampfjetbeschaffung geht es um sehr viel mehr; entsprechend sind Armee, Politik und die Armasuisse involviert. 

In der Phase der Vorhabensplanung erarbeitet der Armeestab (A Stab) zunächst einen Masterplan. «Dieser definiert die zur Auftragserfüllung notwendigen Fähigkeiten der Schweizer Armee», erklärt Sonderegger. Der Masterplan überträgt die lang- und mittelfristige Planung in kurzfristige, integral abgestimmte Massnahmen, steuert diese und leitet daraus Investitionsschwerpunkte ab. Der Armeestab unterbreitet diese dem Departementsvorsteher VBS zur Genehmigung. Auf dieser Grundlage entwickelt der Armeestab die konzeptionellen Grundlagen, erstellt die Bedürfnisanalyse, plant Investitions- und Betriebskosten und legt die militärischen Anforderungen fest. 

«Das ist eine ganz wichtige Phase, während der wir mit der Armee intensiv im Dialog stehen», betont Sonderegger. «Hier wird entschieden, was wir wirklich brauchen. Was definiert wird, wird dann auch umgesetzt; es wird investiert und muss über Jahre, gar Jahrzehnte betrieben werden.» Am Ende der Vorhabensplanung stehe der Projektauftrag des Armeestabs an die Armasuisse, informierte Sonderegger: «Wir werden beauftragt, die Evaluation durchzuführen.»   

Das Evaluationsverfahren

Damit beginnt das Evaluationsverfahren. Es wird zwei Jahre dauern. Armasuisse setzt die vom Armeestab definierten militärischen Anforderungen in technische Spezifikationen um und bereitet die Abwicklung einer Ausschreibung vor. «Wir müssen uns dabei strikt an die Auflagen des öffentlichen Beschaffungsrechts halten», erläutert Sonderegger. Von der Vorevaluation bis zur Typenwahl sind die Anbieter in der Regel dem Wettbewerb ausgesetzt. Während der Vorevaluation erstellt Armasuisse nach sorgfältiger Marktanalyse eine Longlist von Systemen beziehungsweise Flugzeugtypen, die für eine Evaluation in Frage kommen.

«Beim NKF sind wir mit den betroffenen Ländern über die Regierungen bereits in Kontakt getreten», erklärte Sonderegger. Während des Evaluationsverfahrens werden alle Flugzeuge technisch, einsatzbezogen und logistisch vertieft getestet sowie kommerziell analysiert. Die fünf Flugzeugtypen werden auf Herz und Nieren geprüft. «Wir gehen davon aus, dass alle fünf Typen die Anforderungen erfüllen. Sonst ständen sie nicht auf der Liste», glaubt -Sonderegger.  Basierend auf den Ergebnissen wird danach die Truppentauglichkeit erklärt. Bei der Beschaffung des Kampfjets wird der Bundesrat den Typenentscheid fällen. «Ziel ist es, die Typenwahl Ende 2020 vornehmen zu können», erläuterte Sonderegger. Während der Evaluationsphase werde das, was möglich ist, der Öffentlichkeit kommuniziert. «Es wurde vom VBS ein Kommunikationskonzept erarbeitet.»

Die Beratung im Parlament

«Eine zentrale Rolle spielt natürlich das Geld», sagte Sonderegger.  Im Rahmen der Erneuerung der Luftverteidigung wird denn auch eine Referendumsabstimmung über die Investition von acht Milliarden Franken durchgeführt. «Die finanziellen Rahmenbedingungen sind herausfordernd.» Die Armee benötigt eine langfristige, stabile Planungssicherheit – auch in Bezug auf die Finanzen. «Ohne stabile Finanzlage können wir die grossen Projekte nicht realisieren», betonte Sonderegger. Noch rund sieben Prozent machen die Armeeausgaben vom Bundesbudget aus, gegenüber 19 Prozent im Jahr 1990.  

Um die Rüstungsvorhaben zur Beschaffungsreife zu bringen, bewilligt das Parlament jährlich Verpflichtungskredite und finanzierungswirksame Voranschlagkredite (Zahlungskredite) für die Projektierung, Erprobung und Beschaffungsvorbereitung (PEB). Verpflichtungskredite ermächtigen das VBS, sich über mehrere Jahre erstreckende Engagements bis zu einer bestimmen Höhe einzugehen. Mit den Zahlungskrediten werden die Engagements in Teilbeträgen dann jährlich über mehrere Jahre abgegolten. «Die Herausforderung ist jeweils, wie gross die Verpflichtungen sein werden und ob diese, oft Jahre später, über die Zahlungskredite erfüllt werden können», so Sonderegger. 

Für die Erstellung der Armeebotschaft ist der Departementsbereich Verteidigung verantwortlich. Die zur Erstellung der Botschaft nötigen Grundlagen werden durch den Armeestab und Armasuisse erarbeitet. Das jährliche Rüstungsprogramm wird mit der Armeebotschaft durch den Bundesrat verabschiedet und anschliessend dem Parlament zur Genehmigung (Parlamentsdebatten) unterbreitet. Die Vorberatungen führen die Sicherheitspolitischen Kommissionen von National- und Ständerat durch. Sie stellen Anträge zuhanden der jeweiligen Kammer. In den Kommissionen können die Parlamentarier auch externe Experten anhören. «Da müssen gute Argumente vorgebracht werden, wenn es um so viel Geld geht. In diesen Sitzungen werden die Verantwortungsträger gelöchert», verdeutlichte Sonderegger. «Es wird ein Wortprotokoll geführt. Mit fehlerhaften Aussagen wäre man in den Geschichtsbüchern verewigt.»

Während der parlamentarischen Beratung führt die Armasuisse die Beschaffungsvorbereitungen weiter und bereitet die Einführung der Systeme bei den Nutzern vor.  Während den Phasen Beschaffung und Einführung liegt die Projektverantwortung bei der Armasuisse. 

Die nächsten Schritte

Herausforderungen wird es noch viele geben. Der Rüstungschef erwähnte etwa das Spannungsfeld zwischen dem Informationsschutzgesetz und dem Öffentlichkeitsgesetz. Der Takt des Beschaffungsprogramms darf durchaus als sportlich bezeichnet werden. Noch im ersten Halbjahr 2018 wird der Entwurf Planungsbeschluss zur Vernehmlassung durch den Bundesrat verabschiedet, im zweiten Halbjahr zuhanden des Parlaments. Die parlamentarische Beratung ist für 2019 vorgesehen. Die Referendumsabstimmung ist für den Frühling 2020 geplant. Voraussichtlich 2022 gelangt der Beschaffungsantrag mit der Armeebotschaft zur bodengestützten Luftverteidigung (NKF und Bodluv) an das Parlament. «Dann können die Verträge unterzeichnet werden», hofft Sonderegger. Und so ist denn mit der Auslieferung des ersten neuen Kampfflugzeugs voraussichtlich ab 2025 bis 2030 zu rechnen. Es sei denn...