Swiss International Air Lines (Swiss) wurde wie die gesamte Luftfahrtbranche schwer von der Corona-Pandemie getroffen. In den ersten neun Monaten des Jahres 2020 belief sich der operative Verlust von Swiss auf über CHF 400 Millionen, zudem reduzierte sich die Zahl der Passagiere im gleichen Zeitraum um rund 70 Prozent. Hinzu kommt der durch den Bund verbürgte Bankenkredit von bis zu CHF 1.5 Milliarden, den Swiss sobald als möglich zurückzuzahlen plant. «Entsprechend hat sich Swiss ein striktes Kostensparprogramm auferlegt. Substantielle Kostenersparnisse in sämtlichen Unternehmensbereichen sind unumgänglich», ist der Mitteilung der Airline zu entnehmen. Vor diesem Hintergrund seien mit den Sozialpartnern der Boden- und Kabinenmitarbeitenden mehrjährige Krisenvereinbarungen abgeschlossen worden.

Signifikanter Überbestand an Piloten

Auch mit dem Pilotenverband Aeropers hatte Swiss im August 2020 Verhandlungen initiiert. «In den nächsten Jahren besteht bei Swiss aufgrund der Reduktion der Flugbewegungen ein signifikanter Überbestand an Pilotinnen und Piloten», bestätigt das Unternehmen. Ziel der Verhandlungen sei es gewesen, einen neuen krisentauglichen und zukunftsfähigen Gesamtarbeitsvertag (GAV) für die kommenden, schwierigen Jahre zu verhandeln. Dieser soll den laufenden GAV aus dem Jahr 2018 ablösen, der sich weder zur Bewältigung der Coronakrise noch zum Wiederaufbau der Unternehmung in einer unsicheren und volatilen Zukunft eignet. Aeropers sei jedoch lediglich zu einer Verhandlung über temporäre Krisenmassnahmen bei Erhalt des laufenden GAVs bereit gewesen, schreibt Swiss. «Unter der klar formulierten Bedingung, dass der Pilotenverband signifikante Krisenbeiträge und eine erweiterte Handlungsfähigkeit zusagt, war Swiss bereit über temporäre Massnahmen zu verhandeln.»

Keine zukunftsfähigen Zugeständnisse seitens Aeropers

Nach mehreren Monaten intensiver Verhandlungen habe Swiss mit Bedauern festgestellt, dass Aeropers nicht bereit sei, dieser Krise angemessene Beiträge zuzusichern. «Ohne substantielle Beiträge und erweiterte Handlungsmöglichkeiten während der Corona-Krise ist es aus unserer Sicht unternehmerisch nicht zu verantworten, den aktuellen Gesamtarbeitsvertrag beizubehalten», erklärt Thomas Frick, Chief Operating Officer von Swiss.
Swiss bleibe folglich bei ihrer ursprünglichen Forderung, einen neuen Gesamtarbeitsvertrag für das Cockpitpersonal zu verhandeln. Vor diesem Hintergrund hat Swiss den laufenden GAV per 31. März 2022 als erstmöglichen Termin ordentlich gekündigt und lädt Aeropers ein, zeitnah in Verhandlungen über einen neuen Gesamtarbeitsvertrag zu treten.

«Wir bekennen uns zur Sozialpartnerschaft und sind überzeugt, gemeinsam mit Aeropers einen neuen krisentauglichen und zukunftsfähigen Gesamtarbeitsvertrag für Pilotinnen und Piloten abschliessen zu können, der insbesondere auch Ansprüchen an moderne Arbeitszeitmodelle gerecht wird», so Frick weiter.

«Swiss bricht trotz möglicher Einsparungen von 130 Millionen Franken Verhandlungen ab»

Während mehrerer Monate habe der Pilotenverband Aeropers und die Swiss über temporäre Massnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise verhandelt», teilt der Verband seinerseits mit. Gestern habe die Geschäftsleitung der Swiss beschlossen, die Verhandlungen abzubrechen und habe gleichzeitig die Kündigung des laufenden Gesamtarbeitsvertrags zum frühestmöglichen Zeitpunkt bekannt gegeben. Der GAV 2018 läuft somit noch mehr als 13 Monate weiter.

«Aeropers ist sich bewusst, dass die Corona-Krise die Airlines vor immense Herausforderungen stellt. Gerade deswegen sind aus Sicht des Pilotenverbandes aber gemeinsame Lösungen für die Bewältigung der Krise gefordert. Der Abbruch der Verhandlungen und die Kündigung des GAV 2018 betrachtet der Aeropers-Vorstand als traurigen Tiefpunkt der Sozialpartnerschaft und bedenkliches Zeichen der Firma gegenüber den Piloten.»

Zu sofortigen Massnahmen zugunsten der Swiss bereit

«In den nun durch die Geschäftsleitung der Swiss abgebrochenen Verhandlungen zu einem temporären Massnahmenpaket zur Bewältigung der Corona-Krise haben wir aufgezeigt, dass wir trotz GAV, der auch nach der jetzigen Kündigung noch mehr als dreizehn Monate weiterläuft, zu sofortigen Massnahmen zugunsten der Swiss bereit sind», erklärt Kilian Kraus, der Präsident des Pilotenverbandes Aeropers. «Die aktuelle Krise erfordert von Allen Zugeständnisse und die Piloten haben ein grosses Interesse, dass die Swiss erfolgreich durch diese Krise kommt. Trotzdem müssen die getroffenen Massnahmen verhältnismässig und nachvollziehbar sein, denn auch während der Krise sollen die Arbeitsbedingungen es den Piloten erlauben, ihre Passagiere sicher und zuverlässig ans Ziel zu bringen.»

Seit dem Beginn der Corona-Krise vor knapp einem Jahr haben der Pilotenverband Aeropers und die Swiss schon zwei Vereinbarungen zur Bewältigung der schwierigen Situation miteinander abgeschlossen. Direkt zu Beginn der Pandemie wurde ein Sofortmassnahmenpaket geschnürt, im Mai 2020 konnte dann eine Vereinbarung über die Kurzarbeit gefunden werden, welche von den Mitgliedern, trotz grossem Verzicht, mit einer überwältigenden Mehrheit angenommen wurde. Seit September 2020 wurde nun über ein weiteres, temporäres Massnahmenpaket zur Bewältigung der Corona-Krise verhandelt, welches ein substanziell weitreichendes Angebot des Verbandes mit Einsparungen von bis zu 20 Lohnprozenten, die Möglichkeit zu Mehrarbeit und vielen Flexibilisierungen beinhaltet hat. Insgesamt wären Einsparungen beim Cockpit-Personal von 130 Millionen Franken möglich gewesen.

«Nicht ernsthaft an einer sozialpartnerschaftlichen Lösung interessiert»

«Nachdem wir mit der Edelweiss Air AG, der Schwestergesellschaft der Swiss, bereits im Januar eine Einigung über temporäre Anpassungen des dort gültigen Gesamtarbeitsvertrages erzielen konnten, waren wir guten Mutes, auch in den Verhandlungen mit Swiss zu einem positiven Resultat zu kommen», sagt Kilian Kraus, der die Kündigung des Vertrags als bedenkliches Zeichen der Firma gegenüber den Piloten wertet. «Die Swiss hat sich in den Kreditverträgen dazu verpflichtet, sozialpartnerschaftlich Lösungen für Beiträge des Personals zu finden. Stattdessen nimmt sie ihren Mitarbeitern jegliche langfristigen Zukunftsperspektiven und senkt die Bereitschaft für gröbere Einschnitte in den kommenden Monaten massgeblich»

Die Aeropers habe in den Verhandlungen verschiedene Optionen aufgezeigt, die wirtschaftlich vorteilhafte und flexible Lösungen bieten. Dabei hat der Pilotenverband speziell dem Umstand Rechnung getragen, dass besonders in 2021 und 2022 Einsparungen notwendig sind. Ausserdem konnten die Piloten der Swiss zahlreiche sozialverträgliche Möglichkeiten zur Bewirtschaftung des Überbestandes durch attraktive Teilzeitmodelle aufzeigen, denen sich die Firma aber, trotz gegenteiliger Ankündigungen von höchster Stufe, konsequent verweigert. Stattdessen schaffe sie mit der jetzigen Kündigung des GAV, die notabene erst im April 2022 ihre Wirksamkeit entfaltet, schon heute eine sehr schlechte Atmosphäre unter den Arbeitnehmern. «Dadurch, dass die Swiss sogar unseren Vorschlag, einen Schlichter beizuziehen diskussionslos abgelehnt hat, bestätigt sie den Eindruck, nicht ernsthaft an einer sozialpartnerschaftlichen Lösung interessiert zu sein», lässt die Aeropers verlauten.

«Ausgesendetes Signal ist verheerend»

«Aus unserer Sicht ist die Kündigung des GAV zum jetzigen Zeitpunkt nicht hilfreich. Auf das Vorgehen in den nächsten 13 Monaten, die für die Bewältigung der Krise entscheidend sind, hat sie keinen Einfluss. Das Zeichen, das die Swiss damit jedoch an ihr Personal aussendet, ist verheerend» fasst der Präsident zusammen. «Die Aeropers hat Hand geboten, um in einer temporären Vereinbarung alle begründeten Bedürfnisse der Swiss zur Bewältigung der Corona-Krise abzudecken. Offensichtlich sieht die Swiss nun jedoch in der Krise eine Chance, aus ihrer Sicht schon länger störende Teile des GAV für immer abzuschaffen».

Dagegen wehren sich nun die Pilotinnen und Piloten. «Wir setzen uns dafür ein, dass die Swiss-Piloten ihre Passagiere auch weiterhin sicher und zuverlässig ans Ziel bringen können.»