Der Sommer kommt und schon summt es wieder überall in der Luft: Aber nicht Insekten sind die Ursache; es sind ferngesteuerte Drohnen, die sich scheinbar vermehren wie Insekten. Sage und schreibe 100 000 Drohnen sollen in der Schweiz bereits verkauft worden sein. Wenn Hobbyfotografen und Filmer allabendlich die Gärten der Nachbarschaft überfliegen, sorgt sich die breite Bevölkerung vor allem um Fragen der Privatsphäre. Für die Fliegerei birgt die explodierende Zahl an Drohnen aber primär eine Sicherheitsfrage. Wie viele Drohnen tatsächlich in Betrieb sind, kann niemand sagen, denn eine Registrierungspflicht besteht nicht. Beim Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) sind lediglich ein paar Dutzend Geräte registriert. «Der Bund muss nun rasch handeln, sonst kommt es zu Zwischenfällen oder gar Katastrophen», ist Martin Candinas überzeugt. Der Bündner Nationalrat ist Präsident der Swiss Helicopter Association (SHA) und hat im Nationalrat eine Motion eingereicht, die den Bundesrat zum Handeln zwingen soll. «Wir sind nicht generell gegen Drohnen. Aber der Betrieb braucht klare Richtlinien und das Bundesamt die nötigen Mittel, um die Sicherheit weiter gewährleisten zu können.»

Vom Spielzeug bis zur Grossdrohne

Das Problem ist augenfällig: Ein grosser Teil der Drohnen wird als Spielzeug zu Schleuderpreisen verkauft und ihre Piloten haben oft keine Ahnung, wo und wie sie mit ihrem Hightech-Spielzeug fliegen können, ohne jemanden zu gefährden. Schon eine Spielzeugdrohne von 500 Gramm Gewicht kann den Heckrotor eines Helikopters ausser Gefecht setzen und ihn zur sofortigen Notlandung zwingen oder gar zum Absturz bringen. Eine -besondere Gefährdung sind Drohnen deshalb vor allem für Helikoptereinsätze in -Bodennähe und abseits von Flugplätzen und Heliports. Dennoch stellt sich die Helikopterbranche nicht grundsätzlich gegen Drohnen. Mehrere Helikopterunternehmen setzen selber Drohnen ein oder kooperieren mit professionellen Drohnenbetreibern. Die wohl auffälligste Maschine betreibt Swiss Helicopter: ihre «SDO 50 V2» vom Schweizer Start-Up Swissdrones hat zwei Rotoren mit fast drei Metern Durchmesser, wird von einer Hochleistungsturbine angetrieben und wiegt bis zu 87 Kilogramm.

«Für uns sind Drohnen eine sinnvolle Ergänzung des herkömmlichen Geschäftsmodells», sagt Igor Canepa, Basisleiter in Locarno und Projektverantwortlicher für den Drohnenbetrieb von Swiss Helicopter. «Unsere Grossdrohne ist ein Systemträger, mit dem wir verschiedene Sensoren oder Kameras in die Luft bringen. Wir fokussieren uns dabei auf die Fliegerei; die Systeme kommen von spezialisierten Drittunternehmen.»

Auch die Ausbildung von Drohnenpiloten ist Swiss Helicopter ein Anliegen. Das Unternehmen führt in Locarno regelmässig Kurse durch. «Vom Gesetz her gibt es keine Vorgaben oder Lehrpläne. Wir vermitteln deshalb Grundlagen der Fliegerei mit  ihren Gesetzen, Lufträumen sowie Wetterkenntnisse und Drohnentechnik.» Das Programm findet Anklang: Alle zwei Monate besucht rund ein halbes Dutzend Drohnenpiloten die Schulung in Locarno. Drohnenpiloten sollten ein Gespür für die Fliegerei bekommen und so helfen, die Risiken für die bemannte Luftfahrt zu minimieren», so -Canepa. Klare gesetzliche Vorgaben seien nun nötig: «Wo Drohnen gewerblich betrieben werden, sollen auch Minimalanforderungen an die Pilotenausbildung, die Konstruktion und Wartung der Maschinen gelten.» Unbehelligt blieben dadurch aber die Tausenden von Spielzeugdrohnen.

Digitale Lösung in Sicht?

«Spielzeugdrohnen sind gar nicht das grösste Problem», sagt Ueli Sager, Präsident des Schweizerischen Verbands ziviler Drohnen. Drei Viertel der Kleingeräte stammten vom Weltmarktführer DJI und dieser habe ein Interesse, dass er sie weiterhin legal verkaufen könne. Allerdings werde DJI sich wohl nicht auf eine reine Schweizer Lösung einlassen. «Die Schweiz ist ein Drohnenland. Sie tut aber gut daran, gemeinsam mit der europäischen EASA nach einer Lösung zu suchen.» Eine solche entwickelt Skyguide: Zusammen mit Partnerunternehmen -arbeitet der Schweizer Flugsicherer am sogenannten U-Space, der Drohnen automatisiert von sensiblen Gebieten, dem bemannten Flugverkehr oder anderen Drohnen fernhalten soll. Die Schweiz sei in diesem Bereich führend, sagt Drohnenverbands-Präsident Sager. Ob und wann sich U-Space aber zum europäischen Standard erheben wird, bleibt allerdings offen. Die EASA arbeitet derzeit an gesetzlichen Regeln, die für Piloten aller Gewichtsklassen eine Ausbildung verlangen und die auch von der Schweiz übernommen werden dürften. Laut Medienberichten soll sie vor allem die gesetzlichen Grundlagen umfassen und möglicherweise bereits 2019 auch von der Schweiz adaptiert werden.

Vorbehalte, sich einfach einem EASA-Standard anzuschliessen, hat Martin Candinas: «Die EASA behandelt Drohnen wie Modellflugzeuge. Das wird weder der Modellfliegerei noch der Drohnenfliegerei gerecht und ist deshalb keine Lösung. Die Schweiz braucht eine liberale Regelung, damit sich die Entwicklung und der sichere Betrieb von Drohnen weiterentwickeln können.» Der Einsatz von Drohnen habe aber auch seine Grenzen, ist -Candinas überzeugt: «Der Helikopter ist nach wie vor kein Auslaufmodell.»

Es steht viel auf dem Spiel
Von Martin Candinas, Präsident SHA

Die Schweiz ist ein Drohnenland. Die Zahl der Drohnen steigt rasant; niemand kann auch nur annähernd sagen, wie viele es sind. Bei unkontrolliertem Einsatz steigt damit auch die Gefahr von Kollisionen mit anderen Luftfahrzeugen – insbesondere Helikoptern – und Risiken für Menschen, Sachen und kritische Infrastrukturen am Boden. Drohnen bringen aber nicht nur Gefahren: Drohnen können eine gute Ergänzung zu bemannten Helikoptern und Flugzeugen sein. Ihr kontrollierter Einsatz kann in der Landwirtschaft, im Gesundheitswesen, bei Rettungseinsätzen sowie der Vermessung und der Kontrolle wichtiger Infrastrukturen durchaus sinnvoll sein. In der Forschung, Entwicklung und Herstellung von Drohnen und deren Anwendungen haben sich zahlreiche Unternehmen etabliert und unserem Land zu einem internationalen Spitzenplatz verholfen. All dies und die Sicherheit von Teilen der bemannten Luftfahrt stehen auf dem Spiel, wenn es nicht gelingt, den Drohnenbetrieb in geordnete Bahnen zu lenken. Aber dem zuständigen Bundesamt fehlen dazu sowohl die gesetzlichen Grundlagen wie auch die technischen und personellen Mittel. Technische Lösungen für einen geregelten und sicheren Betrieb von Drohnen warten darauf, eingesetzt zu werden – und auch hier kann die Schweiz eine Führungsrolle übernehmen. Dies ist aber nur dann möglich, wenn der Bund eine liberale Regelung sucht und der technischen Entwicklung genügend Raum lässt. Der Weg der EASA, traditionelle Modellflugzeuge und Drohnen gleich zu behandeln, ist keine Lösung. Noch fehlen die rechtlichen Grundlagen, um Besitzer von Drohnen zu Schulung, Registrierung und Identifikation oder zum Einbau von technischen Sicherungen zu zwingen. Die überrannte Aufsichtsbehörde ist nicht in der Lage, diesen neuen Herausforderungen zu begegnen oder wirksame technische Kontrollsysteme einzuführen. Der Bundesrat ist gefordert, rasch für Abhilfe zu sorgen und gleichzeitig die liberale Schweizer Regelung beizubehalten.