Der Wegfall des ganzjährigen Linienverkehrs durch das SkyWork-Grounding reisst ein tiefes Loch in die Rechnung des Flughafens Bern. Entsprechend negativ fällt das Jahresergebnis 2018 aus mit einem Defizit von rund 1 Mio. Franken. «Die Zahlen für 2019 werden nach aktuellem Planungsstand nochmals tiefrot ausfallen», schreibt der Berner Airport in einer Mitteilung. Dank strikter Kostenkontrolle, einer weiteren sozialverträglichen Personalrestrukturierung und flankierender Massnahmen könne die Liquidität aber
gesichert werden. Der ebenfalls verabschiedete Businessplan 2024 zeige, dass der reine Betrieb in allen Szenarien (best, realistic und worst) finanziert werden könne.

Weder Schliessung noch Ausbau

Der Verwaltungsrat habe sich in den letzten Monaten intensiv mit der Zukunft und den strategischen Optionen des Flughafens auseinandergesetzt und zwei Extremszenarien verworfen, schreiben die Verantwortlichen des Berner Airports. Die Schliessung des Flugbetriebs sei ebenso wenig eine Option wie eine Flucht nach vorne mit dem Setzen auf Billigairlines: «Die Schliessung des Flugbetriebs wird weder vom Verwaltungsrat noch von den wichtigsten Aktionären noch von der öffentlichen Hand gewünscht. Die Flucht nach vorn mit der möglichen Akquisition von Billigairlines würde faktisch einen Pistenneubau (Neuausrichtung und Verlängerung) bedingen – dies wäre unwirtschaftlich und hätte eine geringe Realisierungswahrscheinlichkeit.»

Bekenntnis zum öffentlichen Flughafen

Nach zahlreichen Gesprächen mit Aktionären, Vertretern aus Wirtschaft und Politik und der Bevölkerung und trotz grosser Herausforderungen aufgrund veränderter regulatorischer und Marktbedingungen bekenne sich der Verwaltungsrat zu Bern-Belp als öffentlicher Regionalflughafen, d.h. ein Flughafen, der auch der breiten Bevölkerung zur Verfügung steht für Charter- und Linienverkehr. Der VR werde sich deshalb wie bisher mit aller Kraft dafür einsetzen, weise aber darauf hin, dass eine öffentliche Verkehrsinfrastruktur auch des Engagements und der Investitionen der öffentlichen Hand bedürfe.

Berner Flughafen soll modernes Mobilitätszentrum werden

Der Verwaltungsrat des Berner Aiports hat in der Zwischenzeit entschieden, seine Strategie anzupassen. Die öffentliche Piste bildet dabei nach wie vor die «raison d’être». Um diese herum soll die Infrastruktur für ein modernes Mobilitätszentrum entstehen.
Die FBAG will konkret Infrastrukturplattform sein für:

  • den öffentlichen Verkehr (1. Anbindung an Feriendestinationen insbesondere durch Sommercharter; 2. Anbindung an europäische Städte insbesondere durch mind. eine Hub-Verbindung, welche den Anschluss-Verkehr berücksichtig und die direkte Anreise aus der ganzen Welt nach Bern ermöglicht);
  • den Verkehr im besonderen öffentlichen Interesse mit den Regierungsflügen, dem diplomatischen Verkehr, in- und ausländischen Militärtransporten sowie den Inspektions- und Prüfungsflügen des BAZL;
  • die Allgemeine Luftfahrt, den Individualverkehr als Standortfaktor zur Stärkung des Wirtschafts-, Tourismus-, Medizinal- und Politikstandorts, mit der kommerziellen Geschäftsfliegerei, wie auch für die Leichtaviatik mit der Aus- und Weiterbildung von Piloten, wobei die im Sachplan Infrastruktur festgelegten Grenzwerte beachtet werden;
  • Arbeitsplätze in der Luftfahrtindustrie am Boden (Tours Operators, Wartungsbetriebe und flughafennahe Unternehmen)
  • die digitale Mobilität (u.a. Test- und Zertifizierungsinfrastruktur für Drohnen, elektronische Flugtaxis und selbstfahrende Autos, um einen «Swiss Digital Traffic Hub» zu bilden).

In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsrat entschieden, die planungsrechtlich genehmigte 4. Ausbauetappe weiter zu verfolgen, wenn gleich in modifizierter Form.

Rolle der öffentlichen Hand

«Seit Jahren erbringen wir als Infrastrukturplattform öffentliche Leistungen, die der Region Arbeitsplätze und Steuersubstrat einbringen, rein kommerziell für den Flughafen aber zuwenig Erträge generieren», analysiert Beat Brechbühl, Verwaltungsratspräsident der FBAG. «Deshalb konnten wir in den letzten Jahren selbst in den guten Zeiten mit einem Homecarrier keine Dividende ausschütten. Mit der Aktienkapitalerhöhung im 2015 etwa haben die rund 90% privaten Aktionäre der FBAG die Renovation der öffentlichen Piste bezahlt – ohne Aussicht auf eine Verzinsung oder Rückerhalt des Kapitals, was bei Lichte besehen Mäzenatentum von Berner Unternehmerinnen für die Öffentlichkeit gewesen ist. Diese Zeiten sind vorbei – auch wenn man das bedauern mag.»

Aus Sicht des Verwaltungsrats folgt daraus nicht, dass zukünftig alles durch den Staat bezahlt werden soll. Vielmehr setzt er bei der Entwicklung zum Mobilitätszentrum auf ein partnerschaftliches Engagement von Privaten und der öffentlichen Hand – ein Private Public Partnership Projekt. Als rechtliches Gefäss ist die Flughafen BRN Infrastruktur AG dafür vorgesehen, eine Tochtergesellschaft der FBAG, die nun für Investoren der Immobilienentwicklung geöffnet werden soll. Der VR sieht dabei auch alle drei Staatsebenen in der Pflicht. «Der Bund als Regulator sollte im Projekt Flugplatzlandschaft Schweiz endlich klare Verhältnisse bei der Flugsicherungsfinanzierung schaffen und sich nicht scheuen, Prioritäten zu setzen. Das angekündigte Joint Venture von Skyguide und einem ausländischen Anbieter für eine nationale Flugsicherung ist zwingend zu realisieren, um die Kosten zu senken und sicher umzusetzen», schreibt der Verwaltungsrat in seinern Mitteilung. Und der Bund als Immobilienbesitzer und -entwickler sei eingeladen, zur Entwicklung des Mobilitätszentrums beizutragen.

Die Stadt Bern als Grundeigentümerin könne ihren Beitrag zur Neupositionierung, bei dem auch sie gewinnen wird, leisten, indem sie kurzfristig die angespannte Liquidität durch Reduktionen beim Baurechtszins überbrücken hilft und langfristig, indem sie in die Immobilienentwicklung mitinvestiert, was sie bereits als Möglichkeit in Erwägung gezogen habe. Der Kanton Bern kann nach Auffassung des VR seinen Teil beitragen, indem er ebenfalls in die Immobilienentwicklung mitinvestiert und an die Kosten für die öffentliche Sicherheit beiträgt. «Angesichts der öffentlichen positiven Effekte des Flughafens wäre es drittens angezeigt, dass er sich an der FBAG stärker beteiligen würde – so, wie dies bei anderen Regionalflughäfen sowohl im Inland als auch in der EU der Fall ist.»

«Wenn sich private und öffentliche Partner an diesem Projekt beteiligen, werden wir den Flughafen Bern-Belp auch weiterhin für die Berner Bevölkerung erhalten können und gleichzeitig ein modernes und zukunftsgerichtetes Mobilitätszentrum, einen Swiss Digital Traffic Hub, schaffen, das für alle einen Mehrwert schafft», ist Brechbühl überzeugt.

Urs Ryf zum neuen Direktor ernannt

Um die neue Strategie mit neuem Elan umzusetzen, erhält der Flughafen ein neues Gesicht: der Verwaltungsrat der FBAG hat Urs Ryf per 1. Juli 2019 zum neuen Direktor der Flughafen Bern AG ernannt und ist überzeugt, mit ihm eine Idealbesetzung für die Umsetzung der beschlossenen Strategie gefunden zu haben. Ryf ist derzeit als selbständiger Unternehmensberater in der Aviatik tätig und amtet seit 2017 als Verwaltungsratspräsident und Geschäftsführer von swiss aeropole. In dieser Funktion hat er den Flughafen Payerne positioniert. Als ehemaliger COO der Skyguide, als ehemaliger Projektleiter im Auftrag des BAZL, der Skyguide und des Verbands Schweizer Flugplätze für die Finanzierung der Regionalflugplätze und als ehemaliger Staffelkommandant F/A-18 kennt Ryf sowohl die regionale Aviatik als auch die Verhältnisse in Bern-Belp bestens. Bis zu seinem Stellenantritt hat weiterhin der langjährige Finanzchef Martin Leibundgut die Interimsleitung und damit eine Doppelfunktion inne.