Forscher der ETH Zürich haben eine neuartige Technologie entwickelt, die flüssige Kohlenwasserstoffbrennstoffe ausschliesslich aus Sonnenlicht und Luft produziert. Erstmals weltweit zeigten sie im vergangenen Jahr die gesamte thermochemische Prozesskette unter realen Feldbedingungen. Die neue Solar-Mini-Raffinerie befindet sich auf dem Dach des Maschinenlaborgebäudes der ETH in Zürich.

Die Lufthansa Group, die ETH Zürich und ihre Spin-offs Climeworks und Synhelion* schliessen sich nun für eine Kooperation im Bereich nachhaltiger Flugkraftstoffe zusammen.

Treibstoff aus Sonnenlicht und Wasser

Die ETH Zürich hat herausgefunden, wie man flüssige Kohlenwasserstoff-brennstoffe aus Wasser und mit Hilfe von konzentriertem Sonnenlicht herstellen kann. Dabei wird CO2 und Wasser direkt aus der Umgebungsluft herausgezogen und mit Sonnenenergie gespalten. Das Ergebnis des Verfahrens ist ein synthetisches Gas, das anschliessend zu Kerosin, Methanol oder anderen Kohlenwasserstoffen verarbeitet werden kann, welche als Treibstoff eingesetzt werden können. Dieser Kraftstoff gibt nur so viel CO2 frei, wie bisher aus der Atmosphäre gewonnen wurde, wie Lufthansa betont.

Von Swiss und Edelweiss initiierte Partnerschaft

Am 18. Mai 2020 gaben die Lufthansa Group und die ETH Zürich  (und ihre Spin-offs Clime-works und Synhelion) bekannt, dass sie eine gemeinsame Absichtserklärung für  eine mögliche  Zusammenarbeit unterzeichnen, um die  Markteinführung von Sustainable Aviation Fuels (SAF) zu beschleunigen. Die von den Lufthansa Group Tochtergesellschaften Swiss und Edelweiss initiierte Partnerschaft soll unter anderem die Zusammenarbeit in den Bereichen Technologie und Wirtschaftlichkeit umfassen. Zudem besteht die Absicht, zu einem späteren Zeitpunkt Abnahmekontingente von nachhaltigen Treibstoffen zu vereinbaren, um künftige Demonstrationsprojekte der Partner zu unterstützen. Weitere Inhalte der Kooperation sollen bis Ende 2020 ausgearbeitet werden.

«Im Gegensatz zu anderen Verkehrsträgern wird der Luftverkehr in absehbarer Zeit von nachhaltigen flüssigen Brennstoffen abhängen. Ihre Markteinführung erfordert eine gemeinsame Anstrengung von Kraftstoffherstellern und Fluggesellschaften», wird Prof. Dr. Aldo Steinfeld, Professor für Erneuerbare Energieträger an der ETH Zürich, in der Erklärung der Lufthansa zitiert. «Diese Absichtserklärung ist der Anfang einer solchen Kooperation zwischen der ETH Zürich, den ETH-Spin-offs Climeworks und Synhelion sowie der Lufthansa Group Airlines, die damit verbundenen Herausforderungen gemeinsam anzugehen. Damit soll die Energiewende in der Luftfahrt unterstützt werden.»

Lufthansa Group befasst sich intensiv mit alternativen Treibstoffen

«Mit der geplanten Kooperation unterstreichen wir einmal mehr die Bedeutung nachhaltiger Flugkraftstoffe für das Ziel einer Luftfahrt mit ausgeglichener CO2-Bilanz. Die Lufthansa Group setzt sich seit Jahren mit Nachdruck dafür ein, das Fliegen immer nachhaltiger zu gestalten. Dank der zukunftsweisenden Technologien und den Kooperationen mit innovativen Partnern in bereits zwei unserer Heimatmärkte sind wir auf einem guten Weg», sagt Christina Foerster, Vorstand Customer & Corporate Responsibility der Deutschen Lufthansa AG, zur Unterzeichnung der Absichtserklärung.

Die Lufthansa Group hat sich im letzten Jahrzehnt intensiv mit der Erforschung, Erprobung und Nutzung nachhaltiger alternativer Flugkraftstoffe befasst und 2011 mit der weltweit ersten Langzeiterprobung von Biokerosin im regulären Flugbetrieb Pionierarbeit geleistet. Später engagierte sich das Unternehmen in der Grundlagenforschung zum Mischungsverhalten alternativen und konventionellen Kerosins und setzte selektiv Kraftstoffe aus neuartigen Syntheseverfahren ein.

Compensaid – nachhaltiges Fliegen durch Kompensation

«Über gezielte Kooperationen treibt die Lufthansa Group seither Schlüsseltechnologien zur Erzeugung nachhaltiger Flugkraftstoffe voran. Der Fokus liegt dabei auf nachhaltigen Kraftstoffen auf Basis von Reststoffen, holzartiger Biomasse und erneuerbarer elektrischer Energie (Power-to-Liquid)», schreibt das Unternehmen. Diesbezüglich hatte die Deutsche Lufthansa AG 2019 eine Absichtserklärung mit der Raffinerie Heide unterzeichnet.

Mit der vom Lufthansa Innovation Hub entwickelten Online-Plattform «Compensaid» ermöglicht der Konzern seit August 2019 darüber hinaus Reisenden unabhängig von der Wahl der Fluggesellschaft, die CO2-Emissionen eines Fluges durch nachhaltige Flugkraftstoffe zu kompensieren.

* Synhelion entstand 2016 an der ETH Zürich und arbeitet daran, solare Kraftstoffe auf den Markt zu bringen. Das 2009 an der ETH Zürich gegründete Unternehmen Climeworks verfolgt die CO2-Luftabscheidung, um den für die Kraftstoffsynthese benötigten Kohlenstoff nachhaltig bereitzustellen. Beide Unternehmen entwickeln somit Schlüsseltechnologien für die Erzeugung nachhaltiger Flugkraftstoffe.

So funktioniert die neue solare Mini- Raffinerie
Die Prozesskette der neuen Anlage integriert drei thermochemische Umwandlungsprozesse: Erstens die Abscheidung von CO2 und Wasser aus der Luft, zweitens die solar- thermochemische Spaltung von CO2 und Wasser und drittens die anschliessende Verflüssigung in Kohlenwasserstoffe. Durch einen Adsorption- Desorption-Prozess werden CO2 und Wasser direkt aus der Umgebungsluft entnommen. Beides wird dem Solarreaktor im Fokus eines Parabolspiegels zugeführt. Die Solarstrahlung wird durch den Parabolspiegel 3000- mal konzertiert, im Innern des Reaktors eingefangen und in Prozesswärme mit einer Temperatur von 1500 Grad Celsius umgewandelt. Im Herzen des Reaktors befindet sich eine spezielle keramische Struktur aus Ceriumoxid. Dort werden in einer zweistufigen Reaktion – dem sogenannten Redox- Zyklus  – Wasser und CO2 gespalten und Syngas hergestellt. Die Mischung aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid kann mittels konventioneller Methanol- oder Fischer- Tropsch-Synthese in flüssige Treibstoffe weiterverarbeitet werden.