Fortschritte in der aerodynamischen Konstruktion, bei Materialien und Antrieb haben die Möglichkeit einer Wiederbelebung der Überschall-Passagierflug rund um die Idee inspiriert. Allerdings haben auch die wachsenden Bedenken von Öffentlichkeit und Politik hinsichtlich der globalen CO2-Emissionen zugenommen.

Klimaschutz: Engagement der Luftfahrtindustrie ist gefragt

Die Luftfahrtindustrie spürt den Druck, sich auf Nachhaltigkeit zu konzentrieren, einschliesslich alternativer Kraftstoffe und neuer Triebwerk- Technologien.
«Die öffentliche Meinung hat eine klare Botschaft an die Regierungen: Zusammenarbeit mit der Luftfahrt, um Investitionen in saubere Kraftstoffe und neue Hybrid- und Elektrotechnologien zu fördern. Dies wird den Fluggesellschaften helfen, die Emissionen bis 2050 zu halbieren», kommentierte Alexandre de Juniac, Generaldirektor und CEO der International Air Transport Association (IATA),  in einer offiziellen Stellungnahme zu der von IATA In Auftrag gegebenen Untersuchungen

An der 75. Jahrestagung verabschiedete die IATA eine Resolution, in der die Regierungen aufgefordert werden, die im Rahmen der Internationalen Zivilluftfahrt (CORSIA) der Vereinten Nationen vereinbarte CO2-Ausgleichs- und -Reduktionsregelung für die internationale Luftfahrt vollständig umzusetzen. CORSIA ist laut IATA das erste globale Instrument für die CO2-Preisgestaltung für einen Industriesektor. Sie zielt darauf ab, die Netto-CO2-Emissionen des internationalen Luftverkehrs auf das Niveau von 2020 zu begrenzen, was im Wesentlichen verhindert, dass der CO2-Fussabdruck der Luftfahrt wächst.

Der nächste Schritt wird die Senkung der Nettoemissionen bis 2050 auf das Niveau von 2005 sein, wie die IATA schreibt.

Das Problem mit «sauberen» Überschallflugzeugen

Bedenken hinsichtlich der Emissionen aus dem Luftverkehr wurden auch auf der diesjährigen Paris Airshow geäussert, wo Innovation und elektrischer Flug im Vergleich zu früheren Ereignissen eine grosse Rolle spielten.

Ebenfalls auf der Messe war eines der US-Start-ups, die derzeit um die Entwicklung eines Überschall-Passagierjetliners konkurrieren. Das in Denver (Colorado) ansässige Unternehmen Boom Supersonic nutzte die Gelegenheit, um die strategischen Pläne für den Roll-out des zweisitzigen Überschall-Demonstrator-Flugzeugs XB-1 im Dezember 2019 vorzustellen. Neben der Präsentation der Meilensteine des XB-1-Programms war das Unternehmen auch bestrebt, die «grünen» Qualifikationen des Flugzeugs und die «Verpflichtung des Unternehmens, die Umweltauswirkungen von Überschall-reisen zu mildern», zu bestätigen.

Während einer Pressekonferenz auf der Airshow kündigte das Start-up seine nachhaltige Partnerschaft mit Prometheus Fuels an. Laut Boom ermöglichten alternative Kraftstofftests mit dem XB-1 dem Unternehmen, «die CO2-Auswirkungen des Überschallflugs zu minimieren, indem der Demonstrator mit einer reinen Biokraftstoff-Formel betrieben wird», heisst es in einer offiziellen Pressemitteilung.

Schnellstes und umweltfreundlichstes Überschall-Passagierflugzeug?

Boom hofft, dass der XB-1 im Massstab 1:3 als Demonstrator den Grundstein für die Entwicklung eines 75-Sitzer-Werbe-Jetliners Mach 2.2 namens «Overture» legen wird. Gemäss Aussage des Unternehmens soll das Flugzeug dereinst das schnellste und sauberste Überschall-Passagierflugzeug der Geschichte sein wird. Boom geht davon aus, dass alternative Kraftstoffe den CO2-Fussabdruck der «Overture» um rund 80 % reduzieren werden. Abgesehen davon soll das Fliegen mit der Maschine erschwinglich sein, mit Preisen, die mit den heutigen Preisen für Langstreckentickets in der Business-Klasse vergleichbar sind.

Das Problem von Boom wie auch für seine Konkurrenten – Aerion Supersonic und Spike Aerospace (die beiden konzentrieren sich eher auf Überschall-Geschäftsflugzeuge), welche alle starke Unterstützung von der Trump-Administration haben, ist derzeit noch, dass sie darauf bedacht sind, bestehende Triebwerke zu modifizieren anstatt in die Entwicklung von Überschallmotoren zu investieren, die den Emissions- und Lärmnormen entsprechen. Doch laut einer Studie, die der International Council on Clean Transportation (ICCT) im Januar 2019 veröffentlicht hat, werden solche modifizierten Triebwerke fünf- bis siebenmal mehr Treibstoff pro Passagier verbrennen als Unterschalljets.

Boom, Aerion & Spike im Überschall-Jet-Rennen

Die drei aufstrebenden Unternehmen – Boom Supersonic, Aerion und Spike Aerospace – scheinen sich bei der Wiedereinführung des Überschallflugs für Zivilisten näherzukommen. Alle drei Unternehmen glauben an den kommerziellen Erfolg transozeanischer Strecken und hoffen, Flugzeuge ab Mitte der 2020er Jahre ausliefern zu können.

Die ICCT-Forscher bewerteten die Lärm- und Klimaauswirkungen der uneingeschränkten kommerziellen Überschall-Flugzeugentwicklung anhand von Booms Design als Bezugspunkt. Obwohl beispielsweise die genaue Triebwerkskonfiguration für Booms «Overture»-Jet noch nicht veröffentlicht wurde, ist bekannt, dass der XB-1-Demonstrator von drei kleinen Turbojet-Triebwerken von General Electric J85-15 angetrieben wird, dem dienstältesten Militärjetantrieb von GE, welcher auch in der Zivilluftfahrt eingesetzt wird.

Lärmgrenzwerte und ökologische Aspekte wohl noch nicht vereinbar

Laut Reuters-Berechnungen werden die modifizierten Triebwerke 40% mehr Stickstoff und 70% mehr Kohlendioxid ausstossen und damit die globalen Grenzwerte für neue Unterschall-Düsentriebwerke überschreiten. Nicht-Kohlenstoff-Emissionsfaktoren einschliesslich Stickoxide, aber auch Wasserdampf, Russ und Luftfahrt-induzierte Trübung werden aufgrund der hohen Flughöhe von Überschalljets voraussichtlich ebenfalls signifikant sein, sagen ICCT-Forscher.

Die ICCT-Forscher kommen zum Schluss, dass neue Überschallflugzeuge zum heutigen Zeitpunkt noch nicht in der Lage wären, die aktuellen Standards sowohl für ökologische Emissionen als auch für Lärmgrenzwerte zu erfüllen. Nichtsdestotrotz befürwortet die Non-Profit-Organisation, dass die Regulierungsbehörden die Unterschallnormen auf kommerzielle Überschallflugzeuge anwenden.

Die einzige Möglichkeit, diese Anforderungen einzuhalten, wäre die Schaffung eines neuen Triebwerks mit einem Betriebs-Zyklus, welcher beim Start und im Reiseflug variabel funktionieren würde.