Es mutete etwas seltsam an, nach 65 Jahren über ein Projekt und eine längst vergessene Episode der schweizerischen Luftfahrtindustrie zu schreiben. Längst vergessen – oder doch nicht ganz? Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs wurde auch in der Schweiz nach dem Bau von propellergetriebenen Flugzeugen mit Studien von Turbinenflugzeugen begonnen. Vorbild waren die deutschen und englischen Entwicklungen.

Altenrhein gewinnt den Wettbewerb

Die Landung der Messerschmitt Me-262 vor 75 Jahren in Dübendorf ermöglichte den schweizerischen Flug-Ingenieuren, wertvolle Details in die Technik von Flugzeugen mit Strahlantriebe zu erhalten. Die Geschichte des P-16 und des zur gleichen Zeit in Emmen entstehenden N-20 beweist, dass die schweizerische Industrie das Wissen und die Fähigkeit besass, für jene Zeit hervorragende Kampfflugzeuge und erste Axialkompressoren und Gasturbinen zu entwickeln.

Während der P-16 der Flug- und Fahrzeugwerke Altenrhein (FFA)  während einiger hundert Stunden Testprogramme durchlief, endete das Projekt N-20 des Eidgenössischen Flugzeugwerkes Emmen (F+W, heute Ruag) unmittelbar vor dem Erstflug. Zwei parallele Entwicklungen führten offensichtlich zu unsinnigen Ressourcenverschleiss, zu Verzögerungen und auch zur gegenseitigen Behinderung in der Entwicklung. Die Landesverteidigungskommission war dann der Meinung, mit dem P-16 rascher ans Ziel zu kommen.

P-16 Projekt wird gestartet

Am 24. Juli 1952 wurde der Vertrag über die Lieferung von zwei Prototypen P-16.04 unterzeichnet. Altenrhein brachte bereits einige Erfahrungen ein, denn nach dem Krieg entwarfen Ingenieure interessante Studien über zweimotorige Düsenkampfflugzeuge. In Anlehnung an das Düsenflugzeug Messerschmitt Me-262 entstand die Entwicklungslinie P-25 und P-26 mit negativ gepfeilten dünnen Flügeln. Weitere Projektstudien umfassten die Modelle P-14, P-15 und dann die mehr erfolgversprechende Version P-16.

Im Frühjahr 1955 begannen in Altenrhein die Rollversuche, am 28. April startete Oberlt Hans Häfliger zum Erstflug mit dem Prototyp P-16-01/ J-3001. Diesen Flug bezeichneten die Journalisten als Höhepunkt im Schaffen der Schweizer Flugindustrie, verknüpft mit der Hoffnung, dass das neue Kampfflugzeug die veralteten Vampires und Venoms in absehbarer Zukunft ersetzten könnte.

Mängel bei Testflügen

Die ersten und folgenden Testflüge waren vielversprechend. Das Pflichtenheft verlangte im Hinblick auf die kurzen Pisten in engen Tälern sehr kurze Start- und Landestrecken, enge Kurvenradien, hohe Steigleistungen und Maximalgeschwindigkeit in der Nähe der Schallgeschwindigkeit, dazu hohe Zuladung. Das Projekt der FFA unter der technischen Leitung von Dr. Hans Luzius Studer schien vorerst geglückt, doch der Gesamteindruck eines ausführlichen Testprogramms, geflogen auf dem zweiten Prototyp vom 2.3. bis 16.3.2057, zeigte hingegen gravierende Mängel auf. Im Schlussbericht erklärte Testpilot Hptm i.Gst Arthur Moll (der spätere Kommandant der Luftwaffe), dass er bezweifle, dass die Flugwaffe im Jahre 1960 mit dem P-16 ein dann modernes und leistungsfähiges Flugzeug erhalte. Die Flugleistungen erwiesen sich durchwegs als schwächer als die der ausländischen Konkurrenz, Hunter Mk6, Canadair Sabre Mk 6, Dassault Mystère IV.

Erst der leistungsfähigere J-3003 (P-16-03), ausgerüstet mit einem stärkeren Triebwerk Sapphire ASSA-7 mit einem um 1390 kg auf 4990 kg erhöhten Standschub, erreichte ähnlich Leistungen wie die ausländischen Jets. Mit dem Vorserienflugzeugen  P-16-04/05 – P16 Mark III genannt, erhofften sich die Konstrukteure, die gesetzten Performances der Serienflugzeuge doch noch zu erreichen, was auch vorerst gelang. Im März 1958 beschloss der Nationalrat, in Übereinstimmung mit dem Ständerat, die Anschaffung von 100 P-16 Mark III für 407 Millionen Franken.

Verhängnisvolle Abstürze

Während der Erprobung gingen zwei Prototypen aufgrund von technischen Defekten durch Abstürze in den Bodensee verloren, wobei sich die Piloten Hans Haefliger und Jean Brunner jeweils retten konnten. Der zweite Unfall wurde als Ursache genommen, die Serienfertigung zu stornieren, dies war aber nur der äussere Anlass, das P16 Programm fallen zu lassen. Ein vehementer Meinungskampf zwischen den Anhängern des Erdkampfes und der Luftverteidigung verunsicherten Armee, Politiker und Medien. Fortgeschrittene Entwicklungen im Ausland liessen die Einführung vorwiegend für den Luftkampf geeigneter Überschallflugzeuge und Waffensysteme erwarten. Konzeptionell stand damals eine stark mechanisierte Armee mit Überschall-Mehrzweckflugzeugen im Wettstreit mit einer Infanteriearmee mit Flugzeugen zur reinen Unterstützung der Bodentruppe. Die Tendenz zugunsten der ersten Lösung führte dann Mitte der sechziger Jahre zur Beschaffung der Mirage Abfang- und Aufklärung Serie IIIS/RS.

Konklusion des Autors

Mit Blick auf die technische Realisierbarkeit gab es keine Gründe, den Abbruch des P-16 Projektes zu verfügen. Die danach von den FFA auf eigene Rechnung aufgrund der Unfalluntersuchungen durchgeführten Änderungen, konnten die Einsatztauglichkeit des P-16 eindrücklich beweisen. Mit einem moderneren Triebwerk versehen (Projekt 1965 mit Triebwerk GE J7911 A) entsprach er weitgehend dem späteren italienischen Flugzeug AMX der Aeritalia/Alenia (Erstflug 1975, für Erdkämpfe konzipiert). Suchoi verfolgte ähnliche Projekte und entwickelte 1975 den berühmt/berüchtigten Suchoi-SU-25 Jagdbomber, der heute noch fliegt.

Last but not least, es gibt wohl kaum die Entwicklung eines Flugzeuges, für das auch nicht Studien für ein Nachfolgemuster unternommen würde. So wurde in Altenrhein Untersuchungen über die Möglichkeit zur Weiterentwicklung des P-16 vorgenommen. Es gab Projekte, den P-16 im Horizontalflug überschallfähig zu machen, damit er die ihm ursprünglich zugedachte Doppelrolle des Jagdbombers (Luft- und Erdkampf) besser erfüllen könnte. Interessante Studien entstanden, die Entwicklung führte über einige gepfeilte Ausführungen zum bemerkenswerten Projekt P-16 C/f mit tief liegendem Deltaflügel, T-förmigem Leitwerk und einer Maximal-Geschwindigkeit von Mach 1,6.

Ab der «Cockpit»-Ausgabe Nr. 5/20 (erscheint ab dem 15.5.) arbeitet «Cockpit»-Autor und Spezialist für Luftfahrt-Geschichte, Hans-Heiri Stapfer, die P-16-History unter dem Titel «Aufstieg und Fall der FFA P-16» im Rahmen einer spannenden mehrteiligen Serie auf.